Sie hat es wieder getan
05.08.2025 Zufikon, Region BremgartenAuf der Suche nach Frieden
«We Forgive, But We Don’t Forget» – der neue Dok-Film der jungen Zufikerin Daniela Wildi
Der erste Dok-Film war ein voller Erfolg. Nun hat Daniela Wildi ihr zweites Werk fertig.
...Auf der Suche nach Frieden
«We Forgive, But We Don’t Forget» – der neue Dok-Film der jungen Zufikerin Daniela Wildi
Der erste Dok-Film war ein voller Erfolg. Nun hat Daniela Wildi ihr zweites Werk fertig.
Stefan Sprenger
53 Minuten dauert der Film mit dem Titel «We Forgive, But We Don’t Forget». Alles in allem dauerten die Arbeiten für die Freiämterin Daniela Wildi 10 Monate. «Es war ein spannendes und sehr intensives Projekt», sagt die 24-Jährige, die auch von Stiftungen und Institutionen aus dem Freiamt Unterstützung erhielt. Darunter auch ihre Heimatgemeinde Zufikon.
Daniela Wildi zog dieses aufwendige Projekt diszipliniert und dennoch kreativ durch – und das, obwohl sie noch mehrere Monate im Austausch in China war und zu 100 Prozent beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten – kurz EDA – arbeitet.
Premiere im Oktober
Ihr erstes Werk über Verdingkinder entstand 2019 im Rahmen ihrer Maturarbeit an der Kanti in Wohlen und erhielt viel Aufmerksamkeit und gleich mehrere Auszeichnungen. Kürzlich ist ihr zweiter Dok-Film fertig geworden. Er handelt vom Frieden in Kambodscha nach dem Genozid und dem Bürgerkrieg. Die Premiere ist Mitte Oktober am «Geneva Graduate Institute» in Genf, wo sie ihr Masterstudium absolvierte. «Ich bin gespannt, wie der Film ankommt», sagt Wildi, die ein kontroverses Thema ausgewählt hat.
Die Freiämterin Daniela Wildi hat erneut einen Dok-Film gedreht
Als Maturarbeit an der Kanti in Wohlen machte Daniela Wildi 2019 einen Dok-Film über Verdingkinder. Der Film räumte zahlreiche Preise ab. Die Zufikerin, die ein Bachelorstudium in Genf absolvierte, hat nun im Rahmen ihrer Masterarbeit einen neuen Film gedreht. Und auch der hat es in sich.
Stefan Sprenger
Ein Multitalent. Sie ist erst 24 Jahre jung, doch hat schon viel erlebt. Daniela Wildi sammelte früh erste Erfahrungen vor der Kamera für Werbespots – heute steht sie lieber hinter der filmischen Gestaltung. Sie ist in Zufikon aufgewachsen und war einst Kantischülerin in Wohlen. Wildi spricht fliessend fünf Sprachen, darunter Russisch und Mandarin. Sie studiert internationale Beziehungen in Genf und reiste und lebte schon in vielen Ländern der Welt. Und der asiatische Kontinent hat es ihr angetan.
Sie arbeitet beim EDA
Wildi arbeitet nun beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten – kurz EDA. Dort ist sie zuständig für die Koordination der Schweizer Aussenpolitik in Ostasien. Vor wenigen Monaten wirkte die Freiämterin an der Organisation der Reise von Bundesrat Ignazio Cassis nach Japan und China mit. «Ich habe die Programmkoordination begleitet und bei der Vorbereitung politischer Dossiers mitgearbeitet, das gibt spannende Einblicke», erzählt Wildi.
Sie liebäugelt mit der Diplomatie, doch auch Tätigkeiten in der Privatwirtschaft schliesst sie nicht aus. «Ich bin noch jung und habe Zeit», meint sie lachend. «Ich mache das, was mir Spass macht.» Und sie hat offensichtlich grossen Spass am Filmemachen. «J’étais un enfant qu’on ne voyait pas» heisst ihr Erstlingswerk. Entstanden 2019 im Rahmen ihrer Maturarbeit an der Kanti Wohlen. Der Dok-Film über Verdingkinder erhielt aussergewöhnlich grosse Aufmerksamkeit – und sahnte einige Auszeichnungen und Preise ab.
Und nun ist ihr zweiter Film vollendet. «We Forgive, But We Don’t Forget», heisst der rund 50-minütige Film. Zu Deutsch: Wir vergeben, aber wir vergessen nicht. Die Dokumentation widmet sich Kambodscha – einem Land, das bis heute tief von den Erfahrungen des Völkermords unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer (1975–1979) geprägt ist.
Der Film fokussiert jedoch nicht auf die Gräueltaten selbst, sondern auf Menschen, die sich mit deren Nachwirkungen auseinandersetzen und zugleich Wege der Friedensförderung suchen – im Alltag, in ihren Gemeinschaften und im Umgang mit fortbestehenden gesellschaftlichen und strukturellen Herausforderungen.
Den Film erstellt Daniela Wildi im Rahmen ihrer Masterarbeit ihres Studiums (internationale Beziehungen) am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. Im Jahr 2023 machte sie einen Austausch in Südostasien und lernte dabei auf einer Reise auch die Geschichte Kambodschas näher kennen. «Ich sah einen wundervollen See. Die Menschen erzählten dann, dass die Fischer heute noch menschliche Knochen da rausfischen.» Die Schönheit des Landes und die tragische Geschichte waren für sie eindrücklich. «Diese Gegensätze waren in Kambodscha allgegenwärtig», erzählt Wildi.
Er unterhielt einst mit seiner Flöte die Rote-Khmer-Soldaten
Nachdem sie den Entschluss gefasst hatte, einen Film zu drehen, fand sie schnell das Kernthema: «Was bedeutet Frieden?», fragt sich Wildi. «Der Neuaufbau und die Aufarbeitung des damaligen Genozids und jahrzehntelangen Bürgerkriegs dauern bis heute an», sagt sie und untermauert damit die Wichtigkeit dieses Themas. «Wir vergeben, aber wir vergessen nicht» – wie passend.
Sie reiste erneut nach Kambodscha. Sie recherchierte gründlich zum Thema, plante minutiös und führte zahlreiche Interviews. Sie begleitete und porträtierte fünf lokale Friedensstifter, darunter NGOs, und gibt durch den Film Einblicke in ihre alltägliche und wichtige Arbeit. Der Film porträtiert ein breites Spektrum: religiöse Führungspersönlichkeiten, Künstlerinnen sowie Überlebende des Genozids. «Unter ihnen der buddhistische Mönch Vy Sovechea und Arn Chorn-Pond – ein Überlebender des Genozids, der einst mit seiner Flöte die Rote-Khmer-Soldaten unterhielt, die ihn töten wollten, und der heute als Menschenrechtsaktivist wirkt», erklärt Wildi. Der Film erforscht, wie diese Protagonistinnen und Protagonisten mit den traumatischen Nachwirkungen von Gewalt, Verlust und gesellschaftlicher Ausgrenzung umgehen, «wie sie aktuelle gesellschaftliche Veränderungen hinterfragen und durch ihre Friedensarbeit zur Neugestaltung nationaler Identität und sozialem Zusammenhalt beitragen».
Sie erhielt während den zweiwöchigen Dreharbeiten ganz besondere Einblicke, die bei ihr persönlich tiefe Spuren hinterlassen haben. Die Dreharbeiten endeten für sie jedoch fast in einem tragischen Unfall. «Unser Fahrer war viel zu schnell unterwegs und hat die Kontrolle über das Auto verloren. Doch wir hatten auch extremes Glück, es wurde niemand verletzt.»
Sie möchte mit dem Film etwas bewirken
Während sie ihre schriftliche Arbeit bereits abgegeben hat, ist der Film nun Ende Juli fertig geworden. Den ganzen Monat schnitt sie mit der professionellen Hilfe eines Filmeditors das Werk zusammen. «Ich hoffe, durch diesen Film etwas zu bewirken und dass man untereinander darüber spricht, was Frieden auf dieser Welt bedeutet – und wie abstrakt der Frieden auch sein kann.» Es gehe im Film nicht direkt um den Genozid Ende der 70er-Jahre und die Schreckensherrschaft der Roten Khmer und von deren Anführer Pol Pot. «Ich wollte mich bewusst nicht auf das Grausame fokussieren, sondern auf den Frieden.»
Wildi erklärt: «Mein Dokumentarfilm schliesst eine zentrale Forschungslücke. Während staatlich gelenkte internationale Friedensinitiativen umfassend dokumentiert sind, bleiben lokale, von der Gemeinschaft getragene Friedensansätze – insbesondere in Kambodscha – weitgehend unerforscht. Noch seltener wird die Rolle des Films als Mittel zur Unterstützung dieser basisorientierten Prozesse betrachtet.» Der Film, der in Zusammenarbeit mit der kambodschanischen Regisseurin Rotha Suong entstanden ist, beleuchtet auch die Verbindungen zwischen der Schweiz und Kambodscha. «Und er lädt dazu ein, den interkulturellen Austausch zu vertiefen und zu reflektieren, wie akademische Forschung, visuelles Storytelling und konkrete Zusammenarbeit gemeinsam zur Unterstützung von Friedensprozessen beitragen können.»
Support aus dem Freiamt
«We Forgive, But We Don’t Forget» wurde unter anderem von der Gemeinde Zufikon – wo sie aufgewachsen ist – und der Josef Müller Stiftung aus Muri unterstützt. Daniela Wildi sagt: «Ich hoffe, er wird ähnlich grosse Resonanz erfahren wie mein Erstlingswerk.» Bei ihrem Enthusiasmus und ihren Fähigkeiten kann man aber davon ausgehen, dass auch dieser Dok-Film ein Erfolg wird.