AUS DEM GROSSEN RAT
28.06.2024 Bremgarten, KolumneStefan Dietrich, SP, Bremgarten.
Überschüsse und Steuern
Die Grossratssitzung vom letzten Dienstag glich dem aktuellen Wetter, ja einem Wechselbad. Ein Höhepunkt ...
Stefan Dietrich, SP, Bremgarten.
Überschüsse und Steuern
Die Grossratssitzung vom letzten Dienstag glich dem aktuellen Wetter, ja einem Wechselbad. Ein Höhepunkt auf der Traktandenliste war die jährliche Rechnung des Kantons. Grundsätzlich ist der positive Abschluss – auf den ersten Blick – sehr erfreulich. Das Jahr 2023 konnte mit einem Überschuss von fast 120 Millionen Franken abgeschlossen werden. Das befürchtete und budgetierte Defizit blieb aus.
Auf der anderen Seite gibt es im Aargau zahlreiche «Baustellen», grosse Defizite und Nachholbedarf. Trotz Rekordüberschüssen und schwarzen Zahlen ist der Kanton Aargau in vielen Bereichen im Mittelfeld oder gar Schlusslicht. Hier nur einige Themenfelder: Bildung, Energie, Gesundheit, Soziales, Verkehr, Wohnraum. Notwendige Investitionen wurden und werden nicht getätigt.
Es mangelt in vielen Bereichen an Arbeitskräften: Ärztinnen, Lehrpersonen, Pflegepersonal und Polizisten. Es fehlt an modernem und ausreichendem Schulraum, bezahlbaren Kinderbetreuungsmöglichkeiten und ausreichendem Wohnraum für Familien mit tiefen und mittleren Einkommen. Die vorgesehenen Prämienverbilligungen und auch Ergänzungsleistungen werden nicht ausgeschöpft. In den nächsten zehn Jahren stehen wir vor grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Der demografische Wandel lässt sich nicht wegdiskutieren.
Gleichzeitig geht die soziale Schere immer weiter auseinander, die Armut in der Schweiz nimmt zu. Mehr als 750 000 Menschen sind armutsbetroffen. Es trifft oft Familien mit Kindern, besonders aber alleinstehende Frauen im Pensionsalter. Die Preisspirale dreht sich weiter, die Nebenkosten steigen und die Kaufkraft sinkt. Die Mieten steigen, bezahlbarer Wohnraum ist knapp, die hohen Krankenkassenbeiträge steigen im Herbst um mindestens 6 Prozent. Die Löhne und Pensionen kommen nicht nach. Die Politik müsste aktiv werden.
Die rechtsbürgerliche Mehrheit in Aarau reagiert aber zögerlich, abwartend oder mit Blockaden und Verhinderungen. Sie macht keine Politik für alle, sondern nur für wenige Privilegierte. Umso mehr erstaunt, welche Schlussfolgerungen und Forderungen Vertreter der rechtsbürgerlichen Parteien ableiten. Wie ein wiederkehrendes Ritual werden immer wieder Steuersenkungen gepredigt und gefordert. Die Auswirkungen dieser Politik fast schon religiöser Marktgläubigkeit und eines neoliberalen Privatisierungswahns können wir in vielen Bereichen sehen und vor allem auch im Alltag spüren: auf dem Wohnungsmarkt, in der Gesundheitspolitik, in einer ungerechten einseitig belastenden Steuerpolitik, in einer überholten Umwelt- und Verkehrspolitik, in der Bildungspolitik, die ihren Namen nicht verdient. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet diejenigen, die durch ihre kurzfristige Kürzungs- und Sparpolitik unser Bildungswesen an die Wand fahren – die Probleme bewirtschaften, die sie selber erschaffen haben.
Dass der Reichtum und der erarbeitete Wohlstand nicht gerecht verteilt sind, ist kein Geheimnis. Dass Steuern dem sozialen Ausgleich dienen, auch nicht. Inzwischen müsste auch den rechtsbürgerlichen Mandatsträgern bekannt und bewusst sein, dass Steuern kein Selbstzweck darstellen. Nicht Steuersenkungen sind gefragt, sondern eine aktive Politik, die bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen und in unsere Zukunft zu investieren.