Aufbruch in die Zukunft
17.05.2024 BremgartenInszenierungen begeistern
Fasziniert von der Stadtgeschichte
Alle zwei Jahre lässt die Stadtführergruppe von Bremgarten die Menschen in die Geschichte des Städtchens des 19. Jahrhunderts eintauchen.
An die tausend ...
Inszenierungen begeistern
Fasziniert von der Stadtgeschichte
Alle zwei Jahre lässt die Stadtführergruppe von Bremgarten die Menschen in die Geschichte des Städtchens des 19. Jahrhunderts eintauchen.
An die tausend Zuschauerinnen und Zuschauer wurden vom szenischen Rundgang am Mittwochabend durch Bremgarten fasziniert. Die Veranstaltung hat eine lange Tradition in Bremgarten und ist nach wie vor bei Jung und Alt beliebt.
Ein Podium auf dem Schulhausplatz, die Geschichte des Varietétheaters oder eine Diskussion über eine Strassenverbreiterung der Altstadt. Die Geschichten waren vielseitig und die Inszenierungen begeisterten. --red
Stadtführergruppe überzeugte mit einer szenischen Aufführung in der Altstadt
Vergangenen Mittwochabend lud die Stadtführergruppe Bremgarten zur szenischen Stadtführung ein. An die tausend Zuschauende erhielten einen Einblick in die Stadtgeschichten des 19. Jahrhunderts.
«Und jetzt Gruppe vier, immer der Fahne nach!» Mit hoch erhobener roter Flagge führte die Gruppenleiterin Hunderte von Zuschauenden zum Schulhausplatz.
Diesen Mittwoch veranstaltete die Stadtführergruppe Bremgarten ein überraschend grosses Event durch die Bremgarter Altstadt. Rund tausend Besucherinnen und Besucher fanden sich um den Pyramidenbrunnen auf dem Kiesplatz vor der Bezirksschule ein. Souverän wurden die Massen in vier Gruppen geteilt und nacheinander an die unterschiedlichen Veranstaltungsorte gelotst.
An vier Orten in der Oberstadt stellten die Mitglieder der Stadtführergruppe zusammen mit Dutzenden freiwilligen Helfern lebendige Szenen aus der Geschichte von Bremgarten dar. Diese Veranstaltung hat eine lange Tradition im geschichtsträchtigen Städtchen. Seit ihrer Gründung hat die Stadtführergruppe zahlreiche szenische Aufführungen für Jung und Alt organisiert und präsentiert. Das Thema Aufbruch in die Zukunft bezog sich dabei nicht auf futuristische Geschichten, sondern beschäftigte sich mit dem Bremgarten vor 150 Jahren und dessen Fortschrittsvisionen.
«Bodenlose Frechheit» gegenüber den Schülerinnen
Die Inszenierung bewegte sich zwischen szenischer Stadtführung und Wandertheater. Auf dem Schulhausplatz erwartete das Publikum ein Podium, an welchem der damalige Stadtammann Dr. Weissenbach sowie der Erziehungsdirektor das neue Bezirksschulhaus 1859 einweihten. «Seit Jahrhunderten strebt Bremgarten der Kultur und Zivilisation entgegen», so aus der Rede des Erziehungsdirektors. Man folge damit dem Ruf der Zeit. Das sei doch eine «bodenlose Frechheit», meinten die Bremgarter Frauen und Mütter. Warum dürften denn in diesem fortschrittlichen Kanton die Mädchen nicht auch von dieser Schule profitieren? «Buben brauchen eben die gute Bildung», meinte der Erziehungsdirektor dazu. Die Begründung leuchtete den Damen nicht ein, auch das Publikum lachte mit ihnen mit. Erst 1875 schliesslich wurden auch die Mädchen aufgenommen, setzt die Stadtführergruppe die Geschichte in Relation, bevor sich die Massen weiterbewegten Richtung Oberstadt. Eine besondere Überraschung erwartete das Publikum im Zeughausgarten. Hier wurde die Geschichte eines Varietétheaters aufgearbeitet. Der Besitzer, welcher mit seinem Hundetheater in ganz Europa unterwegs war, gründete dort seine eigene Hundeschule, welche in Bremgarten bis zum Aufkommen der Kinos sehr erfolgreich war. Die Ausschnitte aus der Hundeschau führen die Bremgarter Schülerinnen und Schüler mit lustigen Masken unter Gelächter und Applaus vor. Mutig stellten sie sich in ihrer Akrobatik gegen das aufkommende Unwetter.
Fortschrittsvisionen und Schulreformen
Vor ihrem Haus in der Bärengasse erzählte die Handarbeitspionierin Elisabeth Weissenbach wiederum von ihrem Werdegang. Sie revolutionierte die Arbeitsschule für Mädchen, indem sie den methodischen Unterricht einführte. 1856 wurde sie vom Regierungsrat schliesslich zur Inspektorin der Arbeitsschulen des Bezirks Bremgarten berufen und etablierte von dort aus ein neues Unterrichtsfach. Bei all dem Stolz, dass sich von Bremgarten aus der Handarbeitsunterricht erst im Aargau, danach auch bis nach Deutschland verbreitete, musste Frau Weissenbach doch auch Opfer auf sich nehmen. Nicht nur auf den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen musste sie verzichten, sondern auch auf Heirat, um ihrer Passion treu zu bleiben. Denn verheiratete Lehrerinnen würden einem Mann, der seine Familie ernähren muss, den Job wegnehmen, erklärt sie ihrer Klasse, den jüngsten Mitgliedern der Schauspielgruppe, welche die aufmerksamen Schülerinnen mimten. Am Bogen in der Sternengasse schliesslich diskutierte die Bremgarter Bevölkerung über die Strassenverbreiterung der Altstadt. Während manche schon damals für eine Umfahrungsstrasse plädierten, setzten sich schliesslich die Umbaupläne durch. Einige Gebäude, darunter auch das gesamte Spitalgebäude wurden für die breiten Pferdefuhrwerke abgerissen. Die Schauspielgruppe überzeugte mit einem breit aufgestellten Ensemble. Nicht nur den jungen Schauspielenden war die Spielfreude anzusehen. So liessen sie es sich nicht nehmen, die konservativen Szenen teils durch Witze aufzubrechen. «Und das Gerüst haben sie mir immer noch nicht abgebaut!», baute der vermeintliche Besitzer des Restaurants Drei Könige das Baugerüst neben dem Inszenierungsort in die Szene mit ein.
Am anschliessenden Apéro, offeriert von der Stadt Bremgarten, füllte sich der Zeughaussaal mit begeisterten Besucherinnen und Besuchern, welche die noch adrenalingeladenen Schauspielenden mit Glückwünschen überhäuften. --gsp