Einheitliches Durcheinander
30.09.2022 BremgartenPodiumsdiskussion im KuZeB zum Thema «30 Jahre sind genug»
Für einen Abend sassen KuZeB-Mitglieder aus drei Jahrzehnten zusammen, um über die Erfolgsgeschichte des Hauses zu sprechen und darüber, welche Perspektiven die Zukunft für die ...
Podiumsdiskussion im KuZeB zum Thema «30 Jahre sind genug»
Für einen Abend sassen KuZeB-Mitglieder aus drei Jahrzehnten zusammen, um über die Erfolgsgeschichte des Hauses zu sprechen und darüber, welche Perspektiven die Zukunft für die Institution bereithält. Dabei durfte die kritische Selbstreflexion nicht fehlen.
Celeste Blanc
Vieles hat sich in 30 Jahren verändert. Das KuZeB, anfänglich einem Grossteil der Bevölkerung ein Dorn im Auge, ist mittlerweile zu einem etablierten Kulturzentrum im Herzen Bremgartens geworden. Wo die heutige Organisation anfänglich dem Druck von aussen standzuhalten hatte, sind es Jahre später die unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen, die das Vereinsleben vor Herausforderungen stellen. Eine wichtige Konstante aber hat sich über all die Jahrzehnte gehalten: der Wunsch, den autonomen, alternativen Freiraum aufrecht zu halten, der nebst der freien persönlichen Entfaltung unter anderem auch niederschwellige Kulturangebote ermöglicht.
Wie sich aus einer ursprünglichen Hausbesetzung eine in der Schweiz heute einmalige Institution entwickeln konnte, darüber sprachen ehemalige und aktuelle KuZeB-Aktivistinnen und -Aktivisten. Einer der Ersten, die noch vor Gründung des Vereins «Kulturzentrum Bremgarten» aktiv in der ehemaligen Kleiderfabrik waren, ist Rolle. «Ich war in der Zeit hier, als man hier noch illegal gewohnt hat», lacht er. Gemeinsam mit Hudi, Mirco, Dana und Kri spricht er an diesem Abend an der im Rahmen des 30-Jahr-Jubiläums organisierten Podiumsdiskussion «30 Jahre sind genug», die von KuZeB-Urgestein Kire geleitet wurde. (Alle Teilnehmenden der Podiumsdiskussion sind oder waren KuZeB-Mitglieder. Auf ihren Wunsch werden die richtigen Namen nicht bekannt gegeben.)
Turbulente Anfangsjahre
Den Grundstein für das heutige Ku-ZeB legte 1990 eine Gruppe Punks vom Mutschellen, als sie die verlassene Kleiderfabrik der Brüder Meyer besetzten. «Von der Idee, ein Kulturzentrum zu errichten, waren wir zu diesem Zeitpunkt weit weg», so Rolle. Den leer stehenden Raum wollte man nutzen, um sich nach «seinen Vorstellungen ausleben zu können». Und wo man Konzerte organisieren konnte. Erste Züge einer Vereinsgründung entwickelten sich nach Rolle aus einem «fliessenden Übergang», der erst nach den Verhandlungen mit den Besitzern Guido und Max Meyer sowie der Stadt einsetzte.
Nebst den Verhandlungen mit der Stadt prägte auch der Kontakt mit dem Rechtsstaat die Anfangsjahre. Hudi, KuZeB-Aktivist der 2. Generation, erinnert sich zurück: «Uns wurde zunehmend bewusst, dass unsere Vorstellung, autark in der Gesellschaft zu bestehen, nicht möglich war. Es gab zu viele Berührungspunkte.» Immer wieder gab es Konflikte mit dem Rechtsstaat, die unbegründet waren. So im Zusammenhang mit der Rechtsradikalen Mutschellen-Front (RMF). Anzeigen von KuZeB-Mitgliedern gegen den Verstoss einzelner Personen der RMF gegen das Anti-Rassismus-Gesetz wurden von der Polizei nicht geahndet. «Hingegen wurden wir angezeigt, weil am Haus ein Transparent mit durchgestrichenem Hakenkreuz hing. Die Begründung war, dass wir gegen das Anti-Rassismus-Gesetz verstossen würden», so Hudi. Der ehemalige Aktivist konnte einige solcher Geschichten erzählen. Diverse Anzeigen sind gegen KuZeB-Mitglieder eingegangen. Alle wurden von den jeweiligen Instanzen fallen gelassen. «Was im Nachhinein lustige Anekdoten sind, war damals mühsam.» Dennoch ist diese Zeit für Hudi nicht nur negativ in Erinnerung geblieben. «Die Auseinandersetzung mit dem Gesetz und wie der Rechtsstaat funktioniert, war eine spannende Zeit.»
Den letzten, langjährigen Rechtsstreit hatte die Forderung der Stadt zur Folge, als man das KuZeB unter das Gastronomiegesetz stellen wollte. Die daraus entstehenden Prozesse brachten eine intensive Zeit für die Institution mit sich. «Einerseits stellten sich nebst der Stadtregierung auch die Öffentlichkeit sowie die Zeitungen gegen uns. Es wurden Parolen laut wie, dass man das KuZeB ‹zurück in die Legalität holen› müsse», so Hudi.
Für viele Menschen prägend
Andererseits stiess es interne Diskussionen an, wie die Zukunft des Vereins weitergehen soll. Fragen, ob man das Haus aufkaufen wolle oder Diskussionen über die Betreibung des Hauses beschäftigten damals die Vereinsmitglieder. Unter anderem entwickelte sich ein Konzept für das Fabrikkafi, das bis heute fortbesteht. «Umgestaltungen wurden im Rahmen dieser Kontroversen vorgenommen und haben schliesslich zu einer Aufwertung des Betriebs geführt», resümiert Mirco, der Mitte der 2000er-Jahre zum KuZeB gestossen ist. Doch die teilweise langwierigen Rechtsverfahren haben auch ihre Spuren hinterlassen. «Es folgte eine Zeit, in der irgendwie der ‹Schnauf› draussen war», blickt Mirco zurück. Infolgedessen wurden unter anderem weniger Anlässe organisiert.
Obwohl dem kurzweiligen Tief bald neue und vielseitige Anlässe folgten, beschäftigt seither ein Grundsatzproblem den Verein. «Es gab unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Führung des KuZeB auszusehen hat», so Dana. Immer wieder hat man sich die Frage gestellt, wer welche Verantwortung übernehmen soll. Einerseits sei man ein Kollektiv, das das Projekt gemeinsam trage, andererseits gibt es keine Verpflichtungen, da jeder sich so einbringen kann, wie er will. «Ein Widerspruch, der manchmal anstrengend sein kann.»
Nebst dieser Frage prägen auch andere Debatten und Vorstellungen das heutige Vereinsleben. Denn die Menschen, die im KuZeB verkehren, seien entgegen jeder äusseren Wahrnehmung alles andere als eine homogene Gruppe. Kri, die aktuell aktiv im Ku-ZeB ist, schlussfolgert: «Das KuZeB ist ein Durcheinander. Leute kommen und gehen. Das erschwert die Umsetzung von kontinuierlichen Prozessen.» Was den Verein aber auszeichne, sei das grosse Zusammengehörigkeitsgefühl, was den Kitt bilde, wieso das KuZeB auch nach 30 Jahren erfolgreich besteht. Eine ganz grosse Kontinuität sei sicher die Wichtigkeit dieses Ortes selber, der verschiedene Generationen geprägt hat. Für Hudi ein ganz wesentlicher Aspekt: «Ob der Druck von aussen kam oder interne Diskussionen, wie man sich immer wieder ‹selbst erneuern› will, das Vereinsleben unmittelbar prägten – schliesslich sei das KuZeB für viele Leute eine wesentliche Erfahrung im Leben gewesen. Denn auch ich frage mich: Wo wäre ich heute ohne das KuZeB?»
Grosses Glück
Mit Blick auf die Vergangenheit versuchten die Podiumsteilnehmenden, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Den Podiumsteilnehmenden ist aber klar: Ein einheitliches Konzept wird es vermutlich auch in Zukunft nicht so schnell geben. Zu unterschiedlich seien eben die Ideen und Ansichten. Einig hingegen ist man sich, dass, solange es immer wieder aktive Menschen gibt, die sich für die Institution engagieren, die Grundidee des KuZeB aufrechterhalten bleibt.
Denn alle Anwesenden sind sich einig: Es ist ein grosses Glück, dass das Haus, auch dank dem Wohlwollen der Besitzer, nach drei Jahrzehnten noch so in seiner Form besteht. Dieser Umstand sei es, wieso man auch künftig dem Projekt Sorge tragen sollte.