Im Gespräch bleiben
14.06.2022 BremgartenDie Stadtmusik zwischen Wandel und Tradition
Mit Niki Wüthrichs Abschied nach 12 Jahren als Dirigent startet die Stadtmusik im Sommer in eine neue Ära. Trotz vieler langjähriger Vereinsmitglieder will man wandelbar und offen für Neues bleiben. Davon ...
Die Stadtmusik zwischen Wandel und Tradition
Mit Niki Wüthrichs Abschied nach 12 Jahren als Dirigent startet die Stadtmusik im Sommer in eine neue Ära. Trotz vieler langjähriger Vereinsmitglieder will man wandelbar und offen für Neues bleiben. Davon zeugt auch ein spezielles Konzert im Rahmen des Reussfoodfestivals.
Marco Huwyler
Marlis Stutz ist ein Urgestein bei der Stadtmusik. Seit über 30 Jahren ist sie beim Blasorchester. Fast die Hälfte dieser Zeit musizierte die heutige Leiterin der Musikkommission unter Niki Wüthrich. Nun obliegt ihr gemeinsam mit ihren Kollegen die Aufgabe, einen neuen Dirigenten zu suchen. Der langjährige musikalische Leiter hört Ende Monat auf.
Unkonventioneller Auftritt
Wenn es nach der 66-Jährigen geht, wird dies nicht die einzige Personalmutation der Stadtmusik in näherer Zukunft bleiben. Der Verein sucht neue Mitspieler. Deshalb veranstaltet man an Fronleichnam eine «offene Probe», zu der alle eingeladen sind, die sich für das Wirken der Stadtmusik interessieren, idealerweise ein Instrument spielen und sich ein Engagement bei den Blasmusikern vorstellen könnten. «Völlig unverbindlich soll es sein», sagt Stutz. «Wenn man mag, kann man auch einfach reinsitzen und eine Weile zuhören.»
Die offene Probe ist eine der Massnahmen, die man ergreift, «um im Gespräch zu bleiben», wie es Stutz nennt. Man soll die Stadtmusik in Bremgarten weiterhin auf eine positive Art und Weise spüren und wahrnehmen.
«Imagepflege ist wichtig heutzutage», sagt die Querflötistin. «Gerade als Stadtmusik muss man den Leuten zeigen, dass man durchaus modern und nicht aus der Zeit gefallen ist.» Auch deshalb ist man im Verein stolz, welche Entwicklung man in den letzten Jahren genommen hat. Das Orchester ist vergleichsweise jung, geniesst musikalisch einen guten Ruf und ist in seinem Stil sehr divers. Dies wird man auch in zwei Wochen wieder konstatieren dürfen. Auf dem Isenlauf-Parkplatz treten die Bremgarter Stadtmusikanten in einem launigen Format am eigentlich Schlager-dominierten Reussfoodfestival auf.
«Wir lassen uns auf fast alles ein»
Offene Probe und Sommerkonzert der Stadtmusik
Der Sommer ist für die Stadtmusik Bremgarten auch eine Zeit der Veränderungen. Das Konzert während des Reussfoodfestivals ist das letzte unter Dirigent Niki Wüthrich. Im Rahmen der Vorbereitung findet am Donnerstag eine offene Probe im Zeughaussaal statt.
Marco Huwyler
«Die Stadtmusik hatte noch unter niemandem so viel Erfolg wie unter Niki. Wir haben ihm wirklich viel zu verdanken.» Margrit Stutz ist als Leiterin der Musikkommission seit vielen Jahren Weggefährtin von Niki Wüthrich. Über 12 Jahre lang hat dieser seit 2010 das Blasorchester Bremgartens dirigiert. «Es war eine schöne und intensive Zeit. Eine Zeit, in der wir als Orchester und Niki als Dirigent gleichermassen miteinander gewachsen sind», erzählt Stutz. Doch der Symbiose-Abschied naht. Ab dem Juli wird sich Wüthrich auf seine Dirigententätigkeiten in Zürich und St. Gallen konzentrieren (vgl. Interview in der Ausgabe dieser Zeitung vom 18. März). Die Stadtmusik erhält eine neue musikalische Leitung (vgl. Kasten).
«Wir haben uns mittlerweile darauf einstellen können und sind bereit für etwas Neues», blickt Stutz zuversichtlich Richtung Zukunft. «Veränderungen bergen immer auch Chancen.» Der Musikkommissionsleiterin ist es ein Anliegen, dass ihr Orchester wandelbar bleibt. «Offenheit und Vielfalt waren seit jeher etwas, das die Stadtmusik auszeichnete – gerade auch unter Niki. Wir sind kein altbackener Blasmusikverein, der seit Jahrzehnten die gleichen Märsche spielt», sagt Stutz. Das sei auch der Grund dafür, dass man für alle Altersschichten attraktiv geblieben sei. «Die Mischung bei uns ist gut. Das Durchschnittsalter liegt ungefähr bei 35. Wir haben viele Junge dabei.»
Nachwuchsbläser gesucht
Dennoch ist die Mitgliederzahl bei der Stadtmusik in den letzten Jahren leicht gesunken, sodass man nun auf frisches Blut angewiesen ist. Es herrscht ein Mangel an «tiefem Blech», wie es Stutz ausdrückt. Wer Euphonium, Bass, Posaune oder auch Perkussion spielen kann, werde daher bei der Stadtmusik mit offenen Armen empfangen. «Wir freuen uns über jeden, der mitmachen möchte», sagt die 66-Jährige, die selbst Querflöte und Piccolo spielt.
Um neue Musikbegeisterte zu akquirieren, hat man bei der Stadtmusik für diesen Donnerstag eine «offene Probe» im Zeughaussaal organisiert. An Fronleichnam kann jeder, der sich für das Blasorchester interessiert, reinhören und reinschnuppern. «Ziel ist ein lockeres Kennenlernen», erzählt Stutz. Man richte sich an Jugendliche, aber auch vor allem an Erwachsene, welche ein Instrument spielen oder spielten und sich ein Musizieren in einer Gruppe vorstellen könnten. «Die Jungen erreichen wir oft schon via Musikschule» (wo Niki Wüthrich als Leiter amtet und dies weiterhin tun wird), «bei den Erwachsenen fehlt manchmal ein wenig die Zugangsmöglichkeit – und diese möchten wir mit der offenen Probe bieten.» Der Austausch sei völlig unverbindlich. Wer Interesse zeige, könne individuell angepasst mitmachen, wie es ihm passe. «Wir pressen niemanden in ein Korsett und lassen viele Wege der Partizipation zu», sagt Stutz. Im Rahmen der offenen Probe sei zudem bereits ein erstes Mitspielen möglich. «Wer möchte, der kann gerne mit seinem eigenen Instrument auftauchen. Wir würden ihn geeignet integrieren.»
«Jukebox» zum Abschied
Dennoch dient der offene Anlass an Fronleichnam nicht ausschliesslich der launigen Rekrutierung. Vielmehr ist er auch Teil der Vorbereitung auf das anstehende Sommerkonzert. Ein Konzert notabene, das man so nicht oft zu sehen und zu hören bekommt. Im Rahmen des Reussfoodfestivals tritt die Stadtmusik nämlich zusammen mit den «Brasshoppers» und der «Freudenberger Blaskapelle» zum «Jukebox live» auf dem Isenlauf-Parkplatz auf. Das Gratiskonzert auf dem Areal des einen Tag später stattfindenden «Schlagerwahnsinns» ist kostenlos und soll – wie der Name schon sagt – wie eine Jukebox funktionieren. Bloss live und in natura. «Wir haben alle unser Repertoire an bekannter Unterhaltungsmusik eingeübt», erzählt Stutz. «Bei ‹Jukebox live› darf nun die Mehrheit des Publikums entscheiden, was wann gespielt wird.» Die Stadtmusik habe das Konzept dieser lockeren, fröhlichen Publikumpartizipation bei einem Anlass in Fislisbach kennengelernt. «Das war cool und hat uns allen so viel Spass bereitet, dass wir hier selber eine Neuauflage davon initiierten. Wir denken, dass dies auch sehr gut zum Ambiente und zur Stimmung während des Reussfoodfestivals passt.» Ein Festival, das musikalisch auf den ersten Blick gar nicht so sehr zur Stadtmusik passen mag – werden doch normalerweise dort vor allem Schlager gespielt. Doch der Eindruck täuscht. «Wir lassen uns mittlerweile eigentlich auf fast jede musikalische Stilrichtung ein und sind Meister der Adaption. Es ist auch ein Teil des Reizes, den die Stadtmusik auf viele ausübt, dass wir so flexibel und vielfältig sind», sagt Stutz.
Beim letzten Konzert von Niki Wüthrich steht also nochmals vor allem der Spass im Vordergrund. «Man wird wohl nicht unsere musikalische Höchstleistung des letzten Jahrzehnts erleben», sagt Stutz lachend. «Dennoch haben wir auch in diesem Rahmen den Anspruch, präzise, klangvoll und mit einer klaren Linie zu spielen.» Diese Erwartungshaltung – die auch ein treues Stammpublikum in Bremgarten hegt – habe man sich erarbeitet und wolle sie ungeachtet des Anlasses erfüllen.
Vielfalt von der Klassik bis hin zur seichten Unterhaltungsmusik. Aber immer mit Niveau und Klasse. Dafür will die Stadtmusik auch am letzten Konzert ihres langjährigen Dirigenten nochmals stehen.
Offene Probe der Stadtmusik: Donnerstag, 16. Juni, 19.45 Uhr. Sommerkonzert mit «Jukebox» am Reussfoodfestival: Samstag, 24. Juni, 19 Uhr.
Nachfolge
Die Nachfolge Niki Wüthrichs als Dirigent der Bremgarter Stadtmusik wird erst nächstes Jahr definitiv geklärt. Die Entscheidung fällt die Musikkommission nach drei Konzerten, die jeweils von unterschiedlichen Projektdirigenten geleitet werden. «Wir haben die drei gezielt ausgesucht und angefragt, weil wir das Gefühl hatten, dass sie zu uns passen könnten», sagt Margrit Stutz. Aufgrund der drei Konzerte und deren Vorbereitung werde man im Sommer 2023 evaluieren, welcher der drei Kandidaten am besten zur Stadtmusik passe. Im Rennen um Wüthrichs Nachfolge mit den jeweils zu leitenden Konzerten sind: Jahreskonzert 2022: Emilie Chabrol; Kirchenkonzert 2023 «The Armed Man»: Isabelle Ruf-Weber; Sommerkonzert 2023 «Stadtfest Bremgarten»: Marco Müller. --huy



