Spitzenköchin in spe
03.05.2022 BremgartenAthina Karavouzi macht als Nachwuchskochtalent auf sich aufmerksam
Eine junge Bremgarterin hat in der Schweizer Meisterschaft für Kochlehrlinge den zweiten Rang belegt. Der Wettbewerb dient in der Branche als Sprungbrett. Athina Karavouzi möchte mit ihrer ...
Athina Karavouzi macht als Nachwuchskochtalent auf sich aufmerksam
Eine junge Bremgarterin hat in der Schweizer Meisterschaft für Kochlehrlinge den zweiten Rang belegt. Der Wettbewerb dient in der Branche als Sprungbrett. Athina Karavouzi möchte mit ihrer innovativen und fantasievollen Küche die Welt der Gastronomie erobern.
Marco Huwyler
«So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.»
Es ist eigentlich ein simples Credo, dem sich Athina Karavouzi verschrieben hat. «Das stimmt», lacht die junge Bremgarterin. «Aber es ist gut, diesen Satz immer im Hinterkopf zu behalten. Denn die Umsetzung dessen ist in der Gastronomie alles andere als einfach.»
Karavouzi beherrscht diese Kunst. An der Schweizer Meisterschaft für Kochlernende «Gusto22» belegte die 22-Jährige kürzlich den zweiten Platz. Damit liess sie rund 80Kochtalente aus dem ganzen Land hinter sich, die sich an der diesjährigen Aufgabe versuchten. Als eine von neun Auserwählten durfte sie beim Live-Kochen eine fachkundige Jury von ihrem Können überzeugen. Was ihr trotz unglücklichen Umständen am zweitbesten gelang.
Ab in die Nationalmannschaft?
Der Wettbewerb gilt in der Branche als Talentpool für künftige Spitzenköche. So sind beispielsweise von der achtköpfigen Schweizer Junioren-Kochnationalmannschaft, die zu internationalen Koch-Wettbewerben in aller Welt antritt, gleich fünf von acht Mitgliedern ehemalige «Gusto»-Teilnehmende. Ob Karavouzi diesen Weg ebenfalls einschlagen wird, weiss sie noch nicht. «Wobei ich es mir durchaus vorstellen kann.» Sicher ist jedenfalls, dass die junge Bremgarterin hohe Ambitionen hat. Im Bereich der Sternenküche möchte sie sich einen Namen machen und so dereinst zu den besten und renommiertesten Köchen des Landes werden. Dafür ist Karavouzi nach ihrem Abschneiden bei «Gusto» auf dem besten Weg. Von Bremgarten aus bahnt sich Schritt für Schritt eine Gastro-Vorzeigekarriere an. Eine Karriere, die sich so vor wenigen Jahren wahrlich noch nicht unbedingt abgezeichnet hatte.
«Ein eigener Michelin-Stern»
Eine junge Bremgarterin steht am Beginn einer vielversprechenden Kochkarriere
Athina Karavouzi belegte trotz einer unglücklichen Vorgeschichte den zweiten Platz bei der Schweizer Meisterschaft für Kochlernende. In Zukunft hat sie Grosses vor und blickt dabei stets auch über den Tellerrand hinaus.
Marco Huwyler
Es ist wahrlich ein spezieller Abend, den die neun Jugendlichen im Casino Bern erleben. Vor 400 geladenen Gästen sind sie der Mittelpunkt einer Gala, die von Orchester, Akrobatik-Show und natürlich einem erlesenen Menü umrahmt wird. Anlass dafür ist das Finale der «Gusto22» – der Schweizer Meisterschaft für Kochlernende.
Promi-Moderator Sven Epiney führt in gewohnt launiger Manier durch den Abend und würdigt dabei die Leistungen der jungen Talente. Krönenden Abschluss des Dinners bildet schliesslich die Rangverkündigung, bei der die besten drei Kochlernenden der Schweiz gekürt werden. Und just als die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, kommen auch die Finalisten nochmals zu Wort.
«Hand aufs Herz – wie hoch ist dein Puls gerade? 100? 120? 150?», fragt Epiney die junge Bremgarterin Athina Karavouzi in den letzten Sekunden vor der Entscheidung. «50», antwortet diese verschmitzt mit einem tiefenentspannten Lächeln und sorgt damit für grosse Belustigung unter den Zuschauern. Wenig später wird sie unter tosendem Applaus als zweitbeste Jungköchin des Landes ausgezeichnet.
«Ich war wirklich nicht besonders nervös», lacht Karavouzi einige Tage später, als sie den Abend nochmals Revue passieren lässt. «Ich hatte keinerlei Erwartungen und habe mir deshalb vorgenommen, den Abend so gut es geht zu geniessen. Die Auszeichnung kam unerwartet und war eine wunderbare Überraschung.»
Vergiftung zur Unzeit
Dass die Erwartungen der Bremgarterin eher bescheiden waren, dafür waren suboptimale Voraussetzungen im Vorfeld des Wettbewerbs verantwortlich. Nach Monaten des Entgegenfieberns und akribischen Vorbereitens hatte am Tag vor dem Gala-Abend das alles entscheidende Vorkochen vor den Juroren stattgefunden. Doch ausgerechnet an diesem Tag ging es Karavouzi gar nicht gut. «Ich muss mir irgendwie eine Lebensmittelvergiftung eingefangen haben. Bis heute weiss ich nicht woran und weshalb», erzählt die 22-Jährige. Die ganze Nacht hatte sie, geplagt vom derart gereizten Magen, kein Auge zugetan. Und auch am Morgen des grossen Tages war ihr noch speiübel. «Ich schleppte mich irgendwie nach Baden, wo das Vorkochen stattfand, nippte an meinem Tee und versuchte mein Menü so gut es ging hinzukriegen.» Gegen den Brechreiz kämpfend konnte sich Karavouzi kaum konzentrieren. Doch die unzähligen Stunden der Vorbereitung und das minutiöse Einüben der Abläufe und Handgriffe machten sich bezahlt, sodass die Jungköchin irgendwie fertig wurde. «Mein Menü gelang mir den Umständen entsprechend ganz gut – auch wenn ich es wohl schon besser kochte. Aber den Hauptgang tischte ich zehn Minuten zu spät auf. So was wird bei der Bewertung mit Abzug bestraft.»
Karavouzi tröstete sich damit, trotz ihres Pechs ihr Bestes gegeben zu haben und freute sich auf den Gala-Abend in der Hauptstadt in Begleitung der Familie. «Dass es dort tatsächlich doch zu einem zweiten Platz gereicht hat, kam angesichts der grossen Konkurrenz unerwartet und ist absolut fantastisch. Ich freue mich riesig darüber und bin glücklich, dass mein Menü bei der Jury anscheinend so guten Anklang gefunden hat», lächelt sie. «Die Auszeichnung ist eine grosse Ehre und öffnet einem traditionell Türen in der Gastrobranche.» Karavouzi dürfte sich nach Beendigung der Lehre ihren Arbeitsort mehr oder weniger auswählen dürfen. «Das ist ein schönes Gefühl und bestärkt mich darin, auf dem richtigen Weg zu sein.»
Üben mit «Tiptopf»
Dass die Bremgarterin dereinst zu den grössten Kochtalenten des Landes gehören würde, hat sich während Kindheit und Jugend noch nicht abgezeichnet. «In Hauswirtschaft war ich in der Oberstufe immer ungenügend», lacht Karavouzi. Doch genau dieser Umstand war es schliesslich, der die gebürtige Griechin, die erst als 11-Jährige in die Schweiz kam, in die entsprechenden Bahnen lenkte. «Ich dachte mir: «Das kann doch nicht sein, dass alle besser kochen können als du!»
Und so begann die Schülerin, in ihrer Freizeit an ihren Küchenfertigkeiten zu feilen. «Ich nahm mein ‹Tiptopf›, ging einkaufen und probierte alle möglichen Rezepte des Kochbuches aus.» Karavouzi wurde sukzessive besser – und merkte, dass ihr das Arbeiten mit Lebensmitteln und Tüfteln an Geschmacksrichtungen eigentlich grossen Spass bereitet. «So wurde Kochen plötzlich zu meinem Hobby», lächelt sie. Immer mehr Zeit widmete sie der Arbeit in der Küche. Als Kantischülerin schrieb sie als Maturarbeit ein Kochbuch mit eigenen Rezepten und analysierte nebenbei den menschlichen Geschmackssinn. Und irgendwann nahm Kochen einen so wesentlichen Teil in Karavouzis Leben ein, dass die Ausbildung zur professionellen Köchin zur logischen Berufswahl wurde.
Freude beim Arbeitgeber
Fast zwei Jahre dauert die Lehre nun schon, welche die Bremgarterin im Park Hyatt in Zürich, einem modernen Fünf-Sterne-Luxushotel mit zahlreichen Restaurants absolviert. Bald zeigte sich auch dort ihr Talent sowohl in Zubereitung als auch in Anrichtung der Speisen. Karavouzi stieg deshalb schnell auf in der Gunst ihrer Chefs und darf mittlerweile teilweise Arbeiten durchführen und an Rezepten mitwirken, die «normalen» Lehrlingen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestanden werden. Dennoch war ihr die tagtägliche Arbeit als das zweite Lehrjahr anstand, nicht mehr Herausforderung genug. «Wegen Corona hatten wir natürlich weniger zu tun und im zweiten Ausbildungsjahr hat man generell genügend Freiraum», lächelt sie entschuldigend. Aus diesem Grund beschloss Karavouzi im Sommer auch am «Gusto»- Wettbewerb mitzumachen. «Meine Chefs haben mich unterstützt und ermutigt. Beispielsweise durfte ich das Probekochen jeweils während der Arbeitszeit in unserer Küche durchführen. Und auch als Vorkoster haben sich viele Mitglieder unseres Teams bewährt.» Insgesamt 13-mal hat Karavouzi ihr Menü – bestehend aus «Fish ’n’ Swiss» (Pochierter Zander mit Mangold, Zander-Ceviche, mariniert mit Passionsfrucht und Grapefruit, Gurkensorbet, Ponzu-Gurke, Mayonnaise aus geröstetem Knoblauch, Hafer-Kürbiskerncrumble und Buttermilch-Dillöl-Sauce) und «A Pig Success» (sous-vide gegartes und sautiertes Handselected Swiss Pork Filet, geschmorte Schweinsbacke mit Kartoffel-Zitronengranola, Kartoffelrohr, Randenpüree mit Portwein und Cassis, Salzrande, glasierte gelbe Randenperle und eingelegte Rande, Püree aus karamellisierten Zwiebeln, eingelegte und flambierte Perlzwiebeln, Haselnuss) im Vorfeld des Wettbewerbs gekocht und angerichtet. Der dortige Erfolg wurde entsprechend auch beim Arbeitgeber gebührend gefeiert. «Als ich das erste Mal wieder ins ‹Hyatt› kam, gab es einen grossen Empfang inklusive Geschenken und einer Rede des General-Managers», berichtet Karavouzi. «Es war schön, dass sich alle so für mich gefreut haben.»
Botschaften transportieren
Beim Park Hyatt wird die junge Köchin vermutlich dennoch nicht ewig bleiben. Denn die Bremgarterin hat für die Zeit nach ihrer Lehre ehrgeizige Ziele. «Ich möchte schon in Richtung Sternenküche gehen und mittelbis langfristig meine eigenen Michelin-Sterne erhalten», sagt sie. Das grosse Vorbild Karavouzis ist der Däne Rasmus Munk. Dessen Küche zeichnet sich im Restaurant «Alchemist» durch spektakuläre, innovative Küche aus, die jeweils auch eine Botschaft enthält und zum Nachdenken anregen soll. «Durch die Art der Anrichtung macht Munk etwa auf die Meeresverschmutzung, Organspende oder Food-Waste aufmerksam.» Karavouzi macht diese Art der Gastronomie Eindruck. «Die Küche bei Munk geht über das Kochen hinaus. Er verbindet Kunst mit Wissenschaft und Gesellschaftskritik. Das fasziniert mich.» Die 22-Jährige möchte dereinst auf eine ähnliche Art und Weise in Erscheinung treten. «Mich selber verwirklichen zu können, vielen Menschen mit meinem Essen eine Freude zu machen und dabei auch noch eine mir wichtige Botschaft zu transportieren, wäre ein Traum.»
Bis sie derlei verwirklichen kann, muss sich das Kochtalent aber noch ein wenig gedulden. Als Lehrende kommt bis zum Abschluss nur das private Umfeld in den Genuss von Karavouzis exklusiven Kreationen und deren Kunden. Dennoch dürfte es sich lohnen, ihren Namen im Hinterkopf zu behalten. Denn wer weiss – vielleicht bringt Karavouzi dereinst die Sternenküche nach Bremgarten. Ein zweiter Platz in der Schweizer Nachwuchsmeisterschaft trotz üblen Widrigkeiten ist auf jeden Fall schon einmal ein verheissungsvoller Vorgeschmack.