Zu viel Coronaprügel
25.02.2022 BremgartenMarco Polo verkauft Liegenschaften – darunter die «Sonne» in Bremgarten und das Hotel in Wohlen
Die Marco Polo Business Apartments AG war stets gut auf Kurs – doch Corona sorgte nun für Probleme. Das Gastro-Unternehmen musste handeln und die ...
Marco Polo verkauft Liegenschaften – darunter die «Sonne» in Bremgarten und das Hotel in Wohlen
Die Marco Polo Business Apartments AG war stets gut auf Kurs – doch Corona sorgte nun für Probleme. Das Gastro-Unternehmen musste handeln und die «Sonne» in Bremgarten und das Hotel in Wohlen verkaufen.
Stefan Sprenger
Der Saal im Gasthaus Sonne in Bremgarten ist 600 Jahre alt und wunderschön. Der Tisch riesig. Und ganz oben an diesem mächtigen Holztisch nehmen René Holenweger und Sandro Burki Platz. Ihre Stimmung war schon besser als aktuell. Holenweger hatte im letzten Jahr einige schlaflose Nächte. «Corona verpasste uns einen Schlag nach dem anderen», erzählt Holenweger, der Geschäftsführer der Marco Polo Business Apartments AG.
«Wir konnten uns lange über Wasser halten. Aber vor einigen Wochen war dann genug und wir mussten die Reissleine ziehen», sagt Holenweger weiter.
Und Sandro Burki, Verwaltungsratspräsident der Marco Polo Business Apartments AG, verkündet dann den Verkauf der drei Liegenschaften, die dem Unternehmen gehörten.
«Wir mussten es tun»
Das Hotel in Brugg, die Business-Apartments in Wohlen und – das grösste Schmuckstück – die «Sonne» in Bremgarten wurden in neue Hände übergeben. «Wir wollen nicht jammern», sagt Burki, der als Sportchef des Challenge-League-Leaders FC Aarau momentan wenigstens sportlich Höhenf lüge erlebt. «Aber wir mussten es tun, damit wir Marco Polo weiterführen können, so wie wir es uns vorstellen.»
Holenweger und Burki erzählen beim Gespräch im grossen Saal der «Sonne», wie sie die Coronazeit erlebt haben, wie es mit den Betrieben von Marco Polo weitergeht und was die Zukunftsaussichten der verkauften Liegenschaften in Wohlen und Bremgarten sind.
«Wir hatten keine Wahl»
Die Marco Polo Business Apartments AG muss drei Liegenschaften verkaufen
Restaurants, Hotels, Café, Badi-Beiz: Die Marco Polo Business Apartments AG machte sich in den letzten fünf Jahren einen Namen in Bremgarten und Wohlen. Im Aargau hat man total elf Betriebe. Wegen der Coronapandemie muss man nun drei Liegenschaften verkaufen. «Corona hat uns beinahe kaputtgemacht», sagt Gastro-Chef René Holenweger.
Stefan Sprenger
Man sieht ihnen die Belastung der vergangenen zwei Jahre ein bisschen an. Eine Belastung, die mittlerweile der Erleichterung gewichen ist. Sandro Burki, Verwaltungsratspräsident der Marco Polo Business Apartments AG, und Gastro-Chef René Holenweger verkünden ihre Neuigkeiten. Treffpunkt ist das traditionsreiche Gasthaus Sonne in der Bremgarter Altstadt. Hier wurden schon vor rund 600 Jahren Menschen bewirtet. Und heute tischt hier «Marco Polo» den Gästen Sushi und Steaks auf. Wie in Wohlen funktioniert das Restaurant auch in Bremgarten. Holenweger sagt: «Vor Corona hatten wir Erfolg, die Menschen sind zu uns gekommen und es lief gut.»
Als Erstes eröffnete die Marco Polo Business Apartments AG ihre Tore in Wohlen. Im Hotel an der Bünzstrasse bietet man Business Apartments an. Wenig später kam das «Ibarus» dazu (heute Marco Polo Restaurant). Das Gastro-Unternehmen (hinter dem fünf Investoren stehen) expandierte weiter. In Bremgarten eröffnete man kurz vor Corona den «Städtlimärt» und das Café Bremgarten. Hinzu kommen Engagements in den Badi-Restaurants in Wohlen und Bremgarten. Im Juli 2019 wurde die «Sonne» gekauft und renoviert. «Ein grosser Mocken», sagt Holenweger. «Doch dieser Ort hier ist unser Baby. Die ‹Sonne› liegt uns sehr am Herzen», sagt der in Büblikon wohnhafte Gastronom. Im November 2019 feiert man die Wiedereröffnung der «Sonne» in Bremgarten. Hotel, Restaurant, Bar. Das Konzept funktionierte. Frischer Wind wehte durch das «Städtli».
Leere Hotels
Doch nur wenige Wochen. Denn dann kam Corona. Die Gastrobranche musste untendurch. Heftig untendurch. Zwangsschliessungen, immer wieder neue Massnahmen, ausbleibende Gäste, 2G-Regel. «Corona verpasste uns einen Schlag nach dem anderen. Es musste Geld nachgeschoben werden. Wir konnten uns dank unseren Aktionären über Wasser halten», erklärt Holenweger und macht auch ein Beispiel der fatalen Situation damals: «Ende Februar 2020, also kurz vor Corona, waren alle unsere drei Hotels ausgebucht. Innerhalb weniger Tage wurden alle Buchungen storniert und die Hotels blieben leer.» Es gab natürlich Hilfe vom Staat in Form von finanzieller Unterstützung. «Doch das reichte bei Weitem nicht aus, um nur schon die Fixkosten zu decken», so Holenweger. Bei einem Unternehmen wie der Marco Polo Business Apartments AG mit drei Restaurants, einem Café, einem Shop, drei Hotels, mit Betrieben in Wohlen, Bremgarten, Brugg und Buchs – und mit total 45 Mitarbeitenden – hätte es weitaus mehr Unterstützung benötigt, um die letzten zwei Jahre schadlos zu überstehen. «Corona hat uns beinahe kaputtgemacht», sagt Gastro-Experte Holenweger.
Sandro Burki erklärt, dass man «etwas machen musste». Die Enttäuschung ist ihm anzumerken. Als man die «Sonne» übernahm und man mit dem Vorbesitzer – der Familie Seiler-Utz – sprach, kriegte die Marco Polo Business Apartments AG den Zuschlag für den Kauf unter anderem, weil «Marco Polo» den Betrieb auch im Sinne der Vorbesitzer weiterführen wollte. Die Übernahme im Frühjahr 2019 wurde von einigen Nebengeräuschen begleitet. Es hiess, die Marco Polo Business Apartments AG habe Vorpächter Juri Tirez rausgeworfen. «Ein haltloser Vorwurf, der nicht wahr ist», erklärt Holenweger. Später wurde dem Unternehmen im «Städtli» eine Monopolstellung vorgeworfen. Mittels Flugblatt wurde das Unternehmen als «Marco Monopolo» anonym angefeindet. Und diese feige Anfeindung einer kleinen Gruppe hatte schon fast etwas Sarkastisches. Holenweger erklärt mit Galgenhumor: «Wir mussten uns damals diese Kritik anhören und gleichzeitig kämpften wir ums nackte Überleben.»
Auch Sandro Burki kommt sich aktuell «ein wenig komisch» vor. Mit dem FC Aarau schwebt der Sportchef Richtung Aufstieg, führt die Tabelle der Challenge League an. Am grossen Erfolg massgeblich beteiligt ist natürlich Sportchef Burki. Und gleichzeitig muss er als Verwaltungsratspräsident der Marco Polo Business Apartments AG eher negative Neuigkeiten erzählen. Denn nun rückt er raus mit den Neuigkeiten: «Wir wollen nicht jammern. Es ging nicht anders. Wir haben unsere drei Liegenschaften verkauft.» Dies betrifft das Hotel in Brugg, die Business Apartments in Wohlen und die «Sonne» in Bremgarten.
Eine Investorengruppe namens «Geneva Trust» machte ein Angebot, das man angenommen hat. Wer die genauen Investoren hinter «Geneva Trust» sind, ist nicht auszumachen und unbekannt. «Wenn sich die Coronasituation nicht verbessert hätte, wären wir ohne den Verkauf wohl irgendwann Konkurs gegangen. So weiterzumachen, wäre in absehbarer Zeit zu einem grossen Problem geworden, dass die Massnahmen nun relativ rasch gelockert wurden, war im letzten November nicht absehbar», so Burki. Dieser Entscheid wurde intern lange diskutiert. «Und irgendwann, als die Coronapandemie sich immer mehr verlängerte, mussten wir diesen Weg gehen.» Das ist jetzt schon ein paar Monate her. Erwähnenswert: In der ganzen Pandemiezeit musste keiner der total 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der Krise entlassen werden. «Die Arbeitsplätze zu sichern, war uns das grösste Anliegen», sagt Burki.
Neuerdings eingemietet
Sportsmann Burki und der erfahrene Gastronom René Holenweger wären in Vergangenheit nicht schon so oft erfolgreich gewesen, wenn sie nicht sofort wieder mit positiver Kraft nach vorne schauen würden. Das tun sie auch jetzt. «Wir glauben an uns», sagt Holenweger. «Wir schauen optimistisch in die Zukunft», meint Burki. Alles nur Floskeln? Die beiden haben jedenfalls schlagfertige Argumente, dass «Marco Polo» auch in Zukunft eine Top-Adresse bleibt. Ein Zeichen dafür war die Pacht des Restaurants Volare in Waltenschwil vor wenigen Wochen. Ein weiteres «Standbein» des Unternehmens, das eine attraktive Adresse im Gastro-Freiamt werden soll.
Was ändert sich beim Hotel-, Restaurant-, Café- oder Badi-Besuch für die Gäste des «Marco Polo»? «Eigentlich nichts», sagt Holenweger. Mit Ausnahme der drei verkauften Liegenschaften ist die Marco Polo Business Apartments AG überall «nur» eingemietet. «Der Betrieb läuft an diesen Standorten normal weiter.»
«Damit ich gut essen kann»
Aus welchen Beweggründen tut sich die Marco Polo Business Apartments AG mit ihren fünf Investoren (darunter Burki und Holenweger) die enorm schwierige Gastrobranche überhaupt an? Bei Holenweger sind die Gründe offensichtlich. Der emsige Aargauer führte früher fast zwei Jahrzehnte einen Gastrobetrieb mit mehreren Hundert Mitarbeitern in Hongkong. Er ist ein absoluter Fachmann, ein angesehener Gastronom – und er macht seinen Job mit Leib und Seele (Was man sofort spürt, wenn man mit ihm über das Thema Essen spricht). Und Sandro Burki? Der FC-Aarau-Sportchef als gastronomischer Unternehmer und Investor? Wieso? «Damit ich gut essen kann», sagt er lachend und schiebt dann mit zielstrebigem Ausdruck hinterher: «Ernsthaft. Wir wollen etwas Gutes auf die Beine stellen, den Menschen Freude machen, Arbeitsplätze schaffen – und natürlich soll auch finanziell irgendwann etwas dabei rausspringen.» Aber irgendwann ist nicht jetzt. Weil jetzt noch die Pandemie nachhallt.
«Für unsere Gäste ändert sich nichts» – diese Aussage trifft auf die meisten Standorte der Marco Polo Business Apartments zu. Aber nicht auf die drei verkauften Liegenschaften. Was geschieht dort in Zukunft? «Das ist den neuen Besitzern überlassen, wir haben da keinen Einfluss», erklärt Holenweger. Ob es in Wohlen weiterhin Business-Apartments gibt, weiss man nicht. Daneben interessiert natürlich besonders die Zukunft der «Sonne». Das Gespräch mit der Familie Seiler-Utz, Vorbesitzerin des Gasthofs, wurde vor dem neuerlichen Verkauf geführt. «Sie verstehen unsere Situation», meint Holenweger. Denn wer rechnete schon mit einer Pandemie?
Umstrukturierungen
Sicher ist: Das «Marco Polo» bleibt der Pächter in der «Sonne». Der 53-jährige Holenweger weiss auch, dass die «Sonne» ein grosser Name ist, ein Traditionsbetrieb seit mehreren Hundert Jahren. Und genau deshalb wäre es kaum vorstellbar, hier etwas anderes als ein Restaurant, ein Hotel und eine Bar zu betreiben.
Die Marco Polo Business Apartments AG nutzte die Coronazeit für Umstrukturierungen in der Firma. Es wird in Zukunft mehr Teilinhaber geben. Und: «Wir wollen im Gastrobereich weiter ausbauen», sagt Burki hoffnungsvoll. Für den Kunden bleibt vieles beim Alten – ausser bei den drei verkauften Liegenschaften. Nach der Pandemie will man Vollgas geben – und versuchen, die Verluste der letzten beiden Coronajahre etwas auszugleichen. Der Verkauf der drei Liegenschaften sei «ein Glücksfall» für das Unternehmen, denn es sichert die Zukunft, wie Burki und Holenweger erklären.
Bereits wieder gut gefüllt
Nach dem Verkünden der Neuigkeiten sind Burki und Holenweger – genau wie nach dem Verkauf – optimistisch und zuversichtlich. «Die ganze Situation sorgte bei mir persönlich für einige schlaflose Nächte in der Vergangenheit», so Holenweger. Und jetzt, wo sie diese Neuigkeiten erzählen, wollen sie transparent sein und die Bevölkerung – und damit ihre Kunden – offen und ehrlich informieren.
Die Marco Polo Business Apartments AG fürchtete um die Zukunft. Eine Zukunft, die nun auf sichereren Beinen steht. Denn die Pandemie scheint vorbei zu sein, zumindest der Grossteil der Massnahmen. Die Menschen sehnen sich nach feinem Essen und wollen verwöhnt werden. «Ich bin überzeugt, dass wir die Pandemie bald überstanden haben und wieder bessere Zeiten für uns alle kommen», sagt Burki und blickt von der Altstadt hinein ins Innere des Restaurants. Es ist einer der ersten Tage nach der Aufhebung aller Massnahmen. Und das Restaurant ist zur Mittagszeit schon so gut gefüllt, dass «Chef» René Holenweger abgezogen wird und selbst beim Servieren aushelfen muss. Auch wenn man nicht mehr Besitzer, sondern nur noch Pächter der «Sonne» ist, so ist das ein Bild, das grosse Hoffnung macht.