Ein Grosser sagt Tschüss
31.12.2021 SportBesondere Momente im Redaktionsalltag: Yanick Klausners Dernière
Josip Lasic
Alle warten am Freiämter Herbstschwinget (am 11. September 2021) beim Schoren in Mühlau gespannt auf den einen Gang. Ausnahmsweise ist es nicht der ...
Besondere Momente im Redaktionsalltag: Yanick Klausners Dernière
Josip Lasic
Alle warten am Freiämter Herbstschwinget (am 11. September 2021) beim Schoren in Mühlau gespannt auf den einen Gang. Ausnahmsweise ist es nicht der Schlussgang, dem die grösste Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern der vorletzte Gang des Schwingfestes. Der besondere Grund: Es ist der letzte Auftritt von Yanick Klausner – für immer. Der Speaker liest seine Erfolge herunter, erzählt vom Einfluss, den der 26-Jährige auf den Schwingklub Freiamt gehabt hat und nach wie vor hat. Ich erledige meine journalistische Pflicht. Die Kamera ist auf Klausner gerichtet. Emotionen einfangen. «Ich habe mit den Tränen gekämpft», gibt er später zu.
Er gewinnt. Den Kampf gegen die Tränen und den letzten Gang seiner Karriere. Sein zehn Jahre jüngerer Cousin Niklas Stocker ist das letzte «Opfer» des 18-fachen Kranzgewinners. «Ich habe mir das als letzten Gang gewünscht», sagt Klausner. Am gesamten Schwingfest hat er gezeigt, dass er es noch kann. Nur zwei Gänge musste er abgeben. «Lieber heute als früher, wo es um Kränze ging», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Teil einer grossen Generation
Nach dem letzten Gang tragen die Kollegen vom Schwingklub Freiamt ein Holzbrett mit einem Bild von Yanick Klausner in Lebensgrösse ins Sägemehl. Es zeigt ihn nach dem Kranzgewinn am Zürcher Kantonalschwingfest 2018. Der Schwinger schlägt dort einen Nagel ein und hängt seine Schwingerhosen sinnbildlich dran.
In meinem Journalistenkopf erscheinen Bilder. Aus der Vergangenheit und der Zukunft. Sechs Freiämter waren 2019 am «Eidgenössischen» in Zug mit dabei. Unter ihnen Yanick Klausner. Fünf Freiämter waren es am «Eidgenössischen» 2016 in Estavayer-le-Lac. Darunter auch Klausner. 2013 war er der einzige Vertreter der Region in Burgdorf. Der in Beinwil wohnhafte Klausner ist Teil einer Generation des Schwingklubs Freiamt, die für grosse Erfolge steht und für viel sportliches Potenzial. Irgendwie schade, dass ihm im Gegensatz zu den Kollegen Joel Strebel und Andreas Döbeli nie ein eidgenössischer Kranz vergönnt war. «Es gibt Schwinger, die nehmen sich den Kranzgewinn an einem ‹Eidgenössischen› für das Karriereende vor. Diesen Druck würde ich mir nicht antun wollen», sagt er. Unverdient wäre ein solcher Kranz in seinem Lebenslauf nicht gewesen. Wenn in der Vergangenheit ein wichtiges Schwingfest anstand, war er aber immer ein Kranzkandidat aus den Reihen der Freiämter.
Jetzt stehen sie alle neben ihm: Joel Strebel, Lukas und Andreas Döbeli, Reto Leuthard, Lukas Schwenkfelder, Kevin Stadler, Marco Küng, Pascal und Philipp Joho und zahlreiche andere Mitglieder des Schwingklubs Freiamt. Kranzschwinger und Talente. Die «grossen Namen» des Vereins, die in künftigen Artikeln genannt werden, wenn es darum geht, wer an einem Schwinget einen Kranz holen können wird oder wer für das nächste «Eidgenössische» selektioniert werden könnte. Ein Name wird dabei fehlen: Yanick Klausner. Und es wird sich seltsam anfühlen, einen der besten Schwinger dieser Generation nicht mehr zu erwähnen.
Als hätte er das Fest gewonnen
Im Schlussgang am Freiämter Herbstschwinget verliert Andreas Döbeli überraschend gegen Andreas Odermatt. Ärgerlich, wenn durch die Freiämter Brille betrachtet. Ein Heimsieg wäre etwas Schönes gewesen. Döbeli hätte gern für Klausner gewonnen. Klausner hätte sich gern mit Döbeli über dessen Sieg gefreut. Irgendwie fühlt es sich aber ohnehin so an, als hätte Klausner das Fest gewonnen.
Vor dem Herbstschwinget hat mich Yanick Klausner gefragt, ob wir im Anschluss anstossen. Obwohl ich zugesagt habe, scheint er erstaunt, mich zu sehen. «Du bist ja noch hier», sagt er, nachdem er geduscht und sich umgezogen hat, so als hätte er nicht erwartet, dass der Journalist und der Sportler sich auch inoffiziell unterhalten und verabschieden können. Bei ein, zwei Getränken entwickelt sich ein Gespräch über Gott und die Welt. Die Themenvielfalt reicht vom Kilchberger Schwinget und vom Mitgefühl mit Joel Strebel, der verletzungsbedingt nicht teilnehmen kann, zu Klausners Schwingerkarriere, seinem Intermezzo bei der Ringerstaffel Freiamt und zur Covid-Pandemie. Yanick Klausner, ein offener und lockerer Typ, der nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch eine Lücke hinterlassen wird.
Immerhin: Er übernimmt bis nächsten Sommer den Posten des Technischen Leiters der Aktiven und wird anschliessend den Nachwuchs des SK Freiamt betreuen. «Ich bin ja noch ein wenig dabei», sagt er. Es wäre schön, sich eines Tages an einem Schwingfest wiederzusehen. Yanick Klausner ist zwar nur 174 cm gross, doch sportlich und menschlich hat am Freiämter Herbstschwinget ein ganz Grosser das Sägemehl für immer verlassen.