Die hässliche Seite
31.12.2021 SportRückblick: Unschöne Szenen beim Ringerfinal
Alles war angerichtet für einen dritten Finalkampf zwischen der RS Freiamt und dem RC Willisau. Es hätte ein Krimi werden können wie schon in den beiden Jahren zuvor. Doch dann folgen die wohl ...
Rückblick: Unschöne Szenen beim Ringerfinal
Alles war angerichtet für einen dritten Finalkampf zwischen der RS Freiamt und dem RC Willisau. Es hätte ein Krimi werden können wie schon in den beiden Jahren zuvor. Doch dann folgen die wohl unschönsten Szenen des Sportjahres 2021.
Was für herrliche Sportfeste waren die Finals der Schweizer NLA-Meisterschaft im Ringen in den Jahren 2019 und 2020. Obwohl aus Freiämter Sicht in beiden Jahren der Titel an die falsche Seite ging, waren es ringerische Volksfeste und sportliche Höhepunkte. 2019 entscheidet der letzte von 30 Kämpfen über den Titel. 2020 wird der Titel pandemiebedingt in nur zwei Finalkämpfen und ohne Zuschauer entschieden. Trotzdem bleibt es bis zum Ende packend. Tobias Portmann macht erst im letzten Duell gegen Reto Gisler die Titelverteidigung klar.
Dritter Finalkampf war zum Greifen nah
Die Duelle zwischen Freiamt und Willisau waren schon immer hitzig. Blieben aber immer fair. Bis zum zweiten Finalkampf am 11. Dezember in der BBZ-Halle in Willisau. Eine gehässige Stimmung herrscht, mit viel Wut, Frust und Verzweiflung auf beiden Seiten. Der Willisauer Meistertitel ist «nicht so schön wie in den Vorjahren», wie der Willisauer Olympiaringer Stefan Reichmuth sagt.
Die Lager sind nach diesem Duell so distanziert wie nie zuvor. Dabei standen die Vorzeichen gut, dass es wieder zu einem Herzschlagfinal kommt. Der erste Kampf endet 17:17 unentschieden, wird aber als Sieg für Willisau gewertet (weil sie mehr Einzelkämpfe gewonnen haben). Im zweiten Kampf führen die Freiämter 12:4. Magomed Ayshkanov ist 14:0 gegen Reto Reichmuth in Front. Der Sieg durch technische Überlegenheit ist zum Greifen nah, und damit auch der dritte Finalkampf (der in Muri stattgefunden hätte).
Doch es kommt anders. Ein unerlaubter Griff von Ayshkanov. Die Willisau-Fans explodieren. Bierdosen fliegen ihm entgegen. Der Mittelfinger wird ihm gezeigt. Er antwortet selbst mit dem Mittelfinger und wirft eine Bierdose zurück in die tobende Willisauer Menge. Das Verdikt: Disqualifikation. 0:4-Niederlage statt 4:0-Sieg. Die entscheidende Szene. Willisau gewinnt knapp und wird Schweizer Meister.
Verhärtete Fronten
Die Stimmung lässt sich bis zum Ende des Finals nicht mehr kitten. Auch aus dem Freiämter Block kommen Bierdosen, ein Fan will auf den Kampfrichter los, es wird ausgebuht, was das Zeug hält. Die Fronten sind verhärtet. Ayshkanov wurde aufs Äusserste provoziert. Die Kampfrichter liessen das Fingerspitzengefühl vermissen. Willisau-Trainer Philipp Rohrer sagt: «Es gehört dazu, dass sich Ayshkanov zusammenreissen kann.» Und der Tschetschene selbst betont: «Ich bin auch nur ein Mensch.» Von beiden Seiten nachvollziehbare Argumente. Ebenso nachvollziehbar ist, dass beide Seiten ihren Argumenten etwas mehr Gewicht verleihen möchten.
Hoffnung auf Versöhnung
Solche Ereignisse können sich ähnlich ins Gedächtnis einprägen wie ein attraktives sportliches Ereignis. Die Finals 2019 und 2020 machten Lust auf mehr. Das Duell 2021 zeigte die hässliche Seite im Sport. Insbesondere nach Ayshkanovs Ankündigung: «Ich ringe nie mehr in der Schweiz.» Wenige Wochen nach diesen Vorkommnissen wurden die Wogen geglättet. Willisaus Olympiaringer (und weitere Teamkumpels) kommen an den Racletteplausch der Freiämter. «Es muss weitergehen», sagt Freiamt-Trainer Marcel Leutert. Die Hoffnung besteht, dass beim nächsten Aufeinandertreffen der beiden Teams wieder der Sport und die Fairness überwiegen. So, wie in den Jahren zuvor.