Leben als Teilnomadin
19.11.2021 Region BremgartenAm Frauenmorgen erzählte Daniela Zumsteg über ihre Zeit in einem Bauwagen
Die in Dottikon und Seon aufgewachsene 47-jährige Daniela Zumsteg war in den letzten drei Jahren im Sommer immer mit ihrem Bauwagen unterwegs. Sie erfüllt sich damit einen Traum, ...
Am Frauenmorgen erzählte Daniela Zumsteg über ihre Zeit in einem Bauwagen
Die in Dottikon und Seon aufgewachsene 47-jährige Daniela Zumsteg war in den letzten drei Jahren im Sommer immer mit ihrem Bauwagen unterwegs. Sie erfüllt sich damit einen Traum, wie sie am Frauenmorgen in Künten erklärte.
Roger Wetli
Drei Jahre lang hatte Daniela Zumsteg ihren Bauwagen in eine gemütliche fahrbare Sommerresidenz umgebaut, seit drei Jahren reist sie nun immer in den warmen Monaten in der Schweiz umher. «Mein Traum ist schön geworden. Es ist zwar teilweise schwierig, aber es hat sich gelohnt», erzählte die heute in Schafisheim lebende ausgebildete Floristin, Pflegehelferin, Sozialbegleiterin und Sterbe- und Trauerbegleiterin. Den Bauwagen nennt sie liebevoll «Kassiopeia». «So heisst auch die weise, langsame Schildkröte im Buch ‹Momo›. Ich hoffe, dass davon irgendwann mal etwas auf mich abfärbt und ich gelassener werde. Zudem liegt das Sternbild der ‹Kassiopeia› direkt neben dem ‹Grossen Wagen›.»
Immer am Arbeiten
Und gross ist er, ihr Bauwagen. Sie darf ihn mit maximal 30 km/h verschieben. «Stau ist für den Vordersten in der Reihe nie ein Problem», lacht sie. Die letzten drei Sommer verbrachte Daniela Zumsteg damit an verschiedenen Orten im Berner Oberland, in der Bodenseeregion und 2021 im Berner Jura. Eine Auszeit ohne Einkommen könnte sie sich aber nicht leisten, deshalb arbeitete sie weiterhin für die Firma Home Assist – nur halt an verschiedenen Orten. «Im Berner Jura half ich einer Bauernfamilie beim Kräuteranbau für Ricola. Das war harte, erdende körperliche Arbeit und gerade aufgrund des verregneten Sommers nicht immer einfach», schmunzelte sie am Frauenmorgen. «Dafür traf ich wunderbare Menschen, konnte mein Französisch auffrischen und eine für mich neue Gegend erkunden.» Zum ersten Mal dabei war heuer auch ihre Katze. Das sei für sie heimelig gewesen. «Wobei ich eigentlich nie einsam bin. Zumal mich oft an den Wochenenden mein Freund besucht und ich auch bei der Arbeit immer Menschen um mich herum habe.»
Generell habe sich abgezeichnet, dass die Arbeit immer sie finden würde. «Ich wusste zum Teil zwei Wochen vor der Abfahrt noch nicht, was sich ergeben und wohin es mich ziehen wird. Dann kam jeweils ein Angebot. Es ergibt sich irgendwie immer etwas», strahlt sie. In der Bodenseeregion übernahm sie eine Stellvertretung als Sozialbegleiterin und hauste dafür in ihrem Bauwagen an zwei verschiedenen Orten. «Das waren fünf schwierige Monate. Nicht aufgrund meines Lebens im Bauwagen, sondern aufgrund der Personen, die ich zu begleiten hatte», zieht sie ein Résumé.
Daniela Zumsteg springt mit ihrem Sommer-Nomadenleben immer dort ein, wo Not am Mann ist. «Im Berner Jura kamen sie mit dem Biokräuteranbau nicht nach. Zwei Jahre zuvor hatte ein Schicksalsschlag eine Bauernfamilie aus dem Konzept geworfen, die ich dann als helfende Hand unterstützte», erinnerte sie sich in Künten. «Ein tolles Erlebnis war, wie in einer Blutmondnacht eine Kuh zwei gesunde Zwillingskälber gebar. Da dabei zu sein, war für mich ein einmaliges Erlebnis.» Daniela Zumsteg findet sich mit ihrem Bauwagen immer wieder an so schönen Orten wieder, dass sie viel Besuch von Kollegen erhält.
Seit Kindheit fasziniert
Dass sie überhaupt einen Bauwagen zu einer Sommerresidenz umbaute, rührt von der seit Kindheit vorhandenen Faszination für Geschichten über Leute, die unterwegs sind. «Nach der Floristenlehre wurde ich ‹eingespurt›. Das änderte sich erst bei einem Mitarbeiterausflug zu einem Broadway-Theater, dessen Artisten in Bauwagen lebten. Ich war dann zwei Jahre mit einem zusammen und lernte so die Einfachheit des Wohnens im Bauwagen kennen.»
Schliesslich kaufte sich Daniela Zumsteg einen eigenen ausrangierten Wagen und baute ihn komplett um. «Ich hatte zum Glück immer Leute, die mir halfen. Alleine hätte ich es wohl nie geschafft, dieses Projekt über all die drei Jahre bis zum Ende durchzuziehen.» Um den Bauwagen selber verschieben zu können, lernte sie Traktorfahren und das Retourmanövrieren. «Es ist schwierig. Aber bisher hatte ich noch nie einen Unfall, auch wenn es ein paarmal sehr knapp wurde.» Den Traktor leiht sie sich jeweils von einem Kollegen aus.
Einfach mal losfahren
Ihren Hauptwohnsitz hat die 47-Jährige in einer Wohngemeinschaft in Schafisheim. Dort kehrt sie jeweils nach ihren Fahrten wieder zurück und arbeitet von dort aus weiter als Sozialbegleiterin des Unternehmens Home Assist. «Die Heimfahrt ist immer mit einem Gemisch aus Wehmut und der Freude auf die Annehmlichkeiten eines Hauses verbunden», sinnierte sie am Frauenmorgen. Ob sie sich in all den drei Jahren verändert habe, wollte eine Teilnehmerin wissen. Daniela Zumsteg zögerte: «Das Vertrauen, dass es immer irgendwie aufgeht, ist gestiegen. Bisher hatte ich immer eine Arbeit, bevor ich mit dem Bauwagen losgefahren bin. Ich fühle mich noch im Kindergarten dieser Lebensschule.» Ihre Vision sei es, irgendwann genügend Selbstvertrauen zu haben, um einfach loszufahren und vor Ort nach Arbeit zu fragen. «Ich gehe jetzt auf 50 Jahre zu und möchte dieses Leben noch so lange führen, wie es geht.»