Girls auf Überholspur
12.10.2021 BremgartenAutofan Soraia Guedes startet auf Instagram mit ihrer «Girls-Crew» durch
Die Gruppe «Girls-Crew» vereint autobegeisterte Frauen, die dort ihr Hobby ausleben können. Die Bremgarter Gründerin Soraia Guedes hat damit grossen ...
Autofan Soraia Guedes startet auf Instagram mit ihrer «Girls-Crew» durch
Die Gruppe «Girls-Crew» vereint autobegeisterte Frauen, die dort ihr Hobby ausleben können. Die Bremgarter Gründerin Soraia Guedes hat damit grossen Erfolg.
Selfies vor dicken, schnellen Autos erfreuen sich seit jeher in einigen Jugendkreisen einer gewissen Beliebtheit. Seit Corona haben Treffen unter Autobegeisterten noch zugenommen. Gruppen, die sich auf meist abgeschiedenen Parkplätzen mit ihren Wagen treffen, sich darüber austauschen, Zeit zusammen verbringen und nicht selten auch die Polizei beschäftigen, sind ein wachsendes Phänomen unserer Zeit. Auch weil es eine Möglichkeit zur Freizeitgestaltung und Selbstverwirklichung darstellt, die von der Pandemie nicht oder nur am Rande eingeschränkt ist.
Wert auf Imagepflege
Meistens handelt es sich bei diesen «Autoposern» um Männer. Eine Bremgarterin schickt sich nun jedoch an, die Szene weiblicher zu machen und ihr ein besseres Image zu verpassen. Mit Gleichgesinnten hat sie die Instagram-Gruppe «Girls-Crew» gegründet, mit dem Ziel, den weiblichen Autofans eine Plattform für ihr Hobby zu geben.
Die Gruppe ist bunt durchmischt und wächst rasant. So sehr, dass Guedes einen vorübergehenden Aufnahme-Stopp verhängen musste. «Im Moment sind wir rund 50 Frauen zwischen 18 und 60 Jahren», berichtet sie. «Uns vereint die Freude an Autos – aber nicht nur.» Das gemeinschaftliche Beisammensein ist ein wichtiger Daseinsgrund der «Girls-Crew». Genauso wie eine positive Aussendarstellung. «Wir verstossen nicht gegen die Verkehrsregeln», sagt Guedes. «Wir wollen auffallen – aber nicht negativ.» Kritische Feedbacks gebe es, sie seien aber klar in der Minderheit. «Und wenn jemand reklamiert, hinterfragen wir immer, ob das gerechtfertigt sein könnte und ob wir etwas anders hätten machen können.» Für die «Girls-Crew» sind schöne, sportliche Autos eine Leidenschaft, ein Hobby und ein Grund zum geselligen Zusammensein. Und etwas, das mindestens genauso gut zu Frauen passt wie zu Männern. --huy
«Autos sind einfach schön»
Von wegen Männerdomäne: Soraia Guedes erobert mit ihrer «Girls Crew» die Autoliebhaber-Szene
Eine junge Bremgarterin hat mit der Gründung einer Gruppe für autobegeisterte Frauen einen Nerv getroffen. Die vor noch nicht einmal einem Jahr ins Leben gerufene «Girls Crew» kann sich vor Anfragen kaum mehr retten.
Eigentlich ist Soraia Guedes keine besonders extrovertierte Frau. «Ich fühle mich wohl im Hintergrund. Ich muss nicht im Mittelpunkt stehen», sagt sie über sich selbst. Die 27-Jährige wohnt seit rund einem Jahr bescheiden, unauffällig und bodenständig mit ihrem Hund in einer Single-Wohnung in Hermetschwil. Auf den Strassen Bremgartens sieht man sie nicht oft. «Wegen meiner Arbeit komme ich selten dazu, abends rauszugehen», sagt sie schon fast entschuldigend.
Damit mag Guedes dem Klischee ihrer Szene nicht so recht entsprechen. Guedes ist das, was man im Volksmund eine «Autoposerin» nennt. Sie umgibt sich mit schnellen Fahrzeugen und Gleichgesinnten und stellt Fotos und Videos davon auf Social Media. Doch den Begriff mag sie nicht sonderlich: «‹Poser› tönt irgendwie negativ. So, als würden wir angeben wollen. Doch darum geht es nicht. Ich habe einfach Freude an Autos.»
Deshalb geht die 27-Jährige schon seit Jahren an Autotreffs und trat einer Gruppe von Mercedes-Fahrern bei. «Mein Herz schlägt gleich höher, wenn ich so viele schöne Wagen auf einen Schlag sehen darf», erklärt Guedes ihre Motivation. Doch die Nebenerscheinungen der Szene gefielen ihr nie richtig. Das Imponiergehabe einiger Männer. Deren «Schwanzvergleiche». Die immer mal wieder auftretenden Lärmbelästigungen und Geschwindigkeitsübertretungen. Und die teilweise illegalen beziehungsweise halblegalen Tunings.
Gründung auf dem Brünigpass
Guedes war eine von bloss drei Frauen der Gruppe. Im vergangenen Januar trafen sich diese eher zufällig zu dritt für eine Ausfahrt. «Weil es den Männern zu kalt war», lacht Guedes. Und die Frauen merkten dabei, dass es eigentlich viel angenehmer war so unter sich. «Auf dem Brünigpass stiegen wir aus und besprachen, dass wir das öfter machen wollten.» Die «Girls Crew» war geboren.
In den nächsten Wochen und Monaten gründeten die drei eine Instagram-Gruppe und posteten dort Impressionen ihrer Girls-Touren. Damit trafen sie offensichtlich einen Nerv. Schon bald erhielten sie aus der ganzen Schweiz Anfragen von Frauen, die mitmachen und der Gruppe beitreten wollten. Die Zahl der Mitglieder und Insta-Abonnenten wuchs rasant. Und auch die Medien wurden auf die Gruppe aufmerksam. «Wir haben offenbar ein begehrtes Angebot geschaffen, das vorher so noch nicht da war», stellt Guedes fest. «Nicht nur Männer mögen schöne Autos. Aber viele Frauen getrauten sich bisher nicht, bei den vielen lauten Kerlen mitzumachen.»
Alle Autos willkommen
Mittlerweile zählt die bunte Gruppe 50 aktive Mitglieder. Die beiden anderen Gründerinnen neben Guedes sind nicht mehr dabei. Deshalb führt und gestaltet diese die «Girls Crew» seit einigen Monaten alleine und nach ihren Idealen und Vorstellungen. Anders als bei den meisten einschlägigen Auto-Fangruppen, gibt es bei der «Girls Crew» keine bestimmten Aufnahmekriterien. «Bei uns braucht man keine Supercars», sagt Guedes. Mitmachen könne jede, die ein Auto hat und die Leidenschaft der Gruppe teilt. «Bloss ein eigenes Auto sollte es sein.» Also nicht ein gemietetes oder dasjenige vom Freund. «Sonst ist man bei uns fehl am Platz, denn wir haben alle eine enge Beziehung zu unserem Gefährt(en)», lächelt Guedes. Gemeinsam trifft man sich dann auf verschiedenen Parkplätzen und bricht zu einer Auto-Tour auf. Meistens geht es in die Berge über Passstrassen. Mittlerweile ist ein eigener «Girls Crew»-Fotograf dabei, der die Szenerie des Autkorsos auf Fotografien und Filmen festhält. Manchmal besucht die Crew auch Events von anderen Autofans.
Guedes hat ihren Mercedes CLA 45 AMG vor gut einem Jahr über eine Online-Plattform gefunden. «Es war nachts um 2 Uhr, ich konnte nicht schlafen und war am Handy», erzählt sie. Plötzlich sei dann diese neue Anzeige aufgepoppt. «Das war mein Glück.» So habe sie den Inserenten sofort kontaktiert und ein Probefahren vereinbaren können. «Ich wusste sofort: Das ist der Richtige», schwärmt Guedes von ihrem Flitzer. «Die Optik, die Farbe, das Fahrverhalten, der Komfort und der Preisrahmen – alles hat gepasst.» Als sie wenig später beim Autohändler erscheint, stehen fünf bis sechs interessierte Jungs um den Mercedes. Aber gekriegt hat ihn die junge Frau. «Ein paar haben ganz schön neidisch gekuckt», lacht Guedes. Seither kümmert sie sich liebevoll um ihr neues Prunkstück, hat ihm einen neuen Kühlergrill und einen neuen Auspuff verpasst und die Karosserie tiefergelegt. «Damit hat es sich aber vorerst. Ich bin nicht jemand, der ständig am Auto rumschraubt», sagt sie.
Noch wichtiger als das Auto selbst ist ihr das Fahren. Mit lauter Musik. «Dabei kann ich abschalten. Das ist mein Ausgleich. Auch wenn ich traurig oder wütend bin, stellt es mich auf, wenn ich mit meinem Mercedes in der Gegend herumfahren kann.» Wohin es sie trägt, ist dabei zweitrangig. «Der Weg ist das Ziel.»
Familie steht hinter ihr
Damit sie sich ihren Sportwagen leisten kann, hat Guedes jahrelang gespart. Nicht unbedingt begeistert vom Kauf ihrer Tochter waren die Eltern von Guedes. Zumindest zu Beginn. «Aber nicht weil sie gegen mein Hobby sind, sondern weil mein Vater so viele PS für gefährlich hält», lächelt Guedes. «Ich muss ihm jedes Mal versprechen, dass ich gut aufpasse und nicht zu schnell fahre.» Was ihr jeweils auch gut gelinge. «Ich erhielt mehr Bussen mit meinem Geschäftsauto», lacht Guedes. Eigentlich gefällt den Eltern das Hobby ihrer Tochter. «Vor allem mein Vater mag schöne schnelle Autos auch. Er hat mir, schon als ich klein war, Modellautos statt Puppen geschenkt.» Die Mutter dagegen sei vor allem stolz, dass ihre Tochter etwas so Erfolgreiches lanciert habe und nicht irgendeinen Blödsinn mache. «Ich weiss, dass sie Berichte und Videos von und über uns sammelt und in ihrem Bekanntenkreis herumzeigt», berichtet Guedes. Am meisten infiziert vom «Girls Crew»-Virus ist jedoch Soraias 21-jährige Schwester. Sie macht seit Kurzem mit ihrem eigenen Auto aktiv bei der Gruppe mit.
Damit wurde für die Gründerin ihre «Girls Crew» noch ein wenig familiärer, als sie ohnehin schon war. «Das ist mir sehr wichtig», sagt die gebürtige Portugiesin. «Wir verstehen uns alle super und kommen auch privat bestens miteinander aus.» Aus der «Girls Crew» seien schon richtige Freundschaften entstanden. «Manchmal treffen sich einige von uns auch ohne Autos – beispielsweise zum Spazieren mit den Hunden oder zum Raclette-Essen.»
Quo vadis?
Guedes will das unbedingt so beibehalten. «Die Qualität muss immer Vorrang vor der Quantität behalten.» Deshalb hat sie auch vorerst einen Member-Stopp in der «Girls Crew» ausgerufen. «Im Moment nehmen wir niemanden mehr auf. Wir dürfen nicht zu schnell wachsen, sonst könnte das verloren gehen, was uns ausmacht.» Mittelfristig sollen noch mehr Mitglieder dazukommen. «Aber kontrolliert und nicht zu viele aufs Mal», sagt die Gründerin. Jede Neue soll erst einmal schnuppern. Und für alle gelten dieselben Regeln. «Kein Lärm, kein Rasen und nichts Illegales. Die Girls Crew weiss sich zu benehmen. Und ich möchte auch, dass wir uns ein entsprechendes Image aufbauen.»
Auch darüber hinaus will Guedes ihre Gruppe weiterentwickeln. Die 27-Jährige hat für den Wiedererkennungswert bereits ein Logo kreiert. Im eigenen Online-Shop kann man damit bedruckte T-Shirts und Kleber erwerben. Auch sonst möchte sie die «Girls Crew» noch professioneller gestalten und denkt über eine Vereinsgründung und Mitgliederbeiträge nach, die dann für gemeinsame Aktivitäten genutzt werden könnten. «Alles aber immer abgesegnet von unseren Mitgliedern. Wir sind streng demokratisch», betont Guedes. Schliesslich soll die Harmonie keinesfalls gestört werden. «Denn noch mehr als unsere Autos ist es das, was die Girls Crew ausmacht», sagt Guedes und lächelt zufrieden. --huy
Infos: instagram.com/girlscrewswiss