Willkommen im Eichenwald
14.09.2021 Region BremgartenGut hundert Interessierte marschierten beim Waldumgang
2019 wurden in einem Vertrag mit dem Kanton wegweisende Entscheidungen zur Zukunft des Zufiker Eichenschutzreservats unterzeichnet. Hier wachsen viermal mehr Eichen als im schweizerischen Walddurchschnitt, was für ...
Gut hundert Interessierte marschierten beim Waldumgang
2019 wurden in einem Vertrag mit dem Kanton wegweisende Entscheidungen zur Zukunft des Zufiker Eichenschutzreservats unterzeichnet. Hier wachsen viermal mehr Eichen als im schweizerischen Walddurchschnitt, was für die Teilnehmenden des Waldumgangs sehr beeindruckend war.
Hans Rechsteiner
Der Emauswald an der Aufstauung nördlich des Flachsees von Emaus bis über den Dominilochsteg hinaus ist ein vielbegangenes Wanderziel, nicht zuletzt natürlich wegen des anschliessenden einzigartigen Vogelschutzgebiets, das neun Flusskilometer bis zum Einfluss der Jonen in die Reuss hinaufreicht. Die Zufiker wissen kaum, was für ein wertvolles Biotop sie da in ihrem Emauswald beherbergen. Mit diesem gutbesuchten Waldumgang dürfte sich das indes positiv verändert haben.
Äste halten
Der Emauswald verfügt über einen sehr hohen Eichenanteil mit teils uralten schönen gesunden Eichenbäumen, die man als wertvolle Kulturbäume lebenslang stehenlassen will. Dazu darf man wissen – das hat Revierförster Urs Huber mit Herzblut erklärt – dass Eichen mindestens doppelt so alt werden wie Buchen, die «Mütter des Waldes». Buchen werden etwa 200 Jahre alt, Eichen also über 400 Jahre. Man will im Emauswald viele «Kulturbäume» sogar bis an ihr Lebensende stehen lassen, das kann weit über 600 Jahre dauern. «Solche historische Schönheiten greifen wir sicher nie an», verspricht Urs Huber und hält nicht mit seiner Bewunderung für die Natur zurück. Sterben in den Kronen Eichenäste ab oder vertrocknen, gefährden sie keinen einzigen Fussgänger, denn sie bleiben hartnäckig oben, gutes Holz eben.
1036 Eichen sind kartiert und erfasst
Der Zufiker Wald hat drei Waldteile: 120 Hektaren Ortsbürgerwald mit 36 Prozent Nadelholz und 64 Prozent Laubholz und zehn Hektaren Privatwald – beteiligt sind die Gemeinden Zufikon (mit 49,4 ha), Bremgarten (7 ha) und Unterlunkhofen (0,8 ha). Ein vom Kanton erstelltes Inventar kartiert auf einer Fläche von 57,27 Hektaren 1036 Eichen mit einem Stammdurchmesser von 13 cm und 596 Eichen, die einen Brusthöhendurchmesser über 40 cm haben – erst ab diesem Mass darf man sie ernten –, aber gemäss Vertrag im Eichenwaldreservat nur vier Bäume in Eigennutzung pro Jahr.
Mit einer solchen Kontingentierung der Nutzung der vorhandenen grossen und alten Eichen, der konsequenten Förderung der Eichen bei Durchforstungseingriffen sowie der Neubegründung und Pflege eichenreicher Jungwaldbestände soll innert fünfzig Jahren auf der Hälfte des Gesamtperimeters ein Laubmischwald mit einem Eichenanteil über mindestens 30 Prozent aufgebaut werden. Jährlich sollen zudem 30 Aren Jungwaldfläche für Eichen verjüngt werden.
Eine Besonderheit bildet die Altholzinsel Hirzenwald. Auf einer Fläche im Umfang von 2,07 ha sollen von menschlichen Eingriffen unbeeinflusste Alterungs- und Zerfallsprozesse ablaufen können. Damit entstehen Lebensräume für diejenigen Tier- und Pflanzenarten, welche auf alte und absterbende Bäume sowie auf totes Holz angewiesen sind. Im bezeichneten Waldbestand ist während der Vertragsdauer von 50 Jahren auf jegliche Holznutzung und auf Pflegeeingriffe zu verzichten und der natürlichen Entwicklung freien Lauf zu lassen.
Lebensgemeinschaft Wald
Am Waldumgang marschierte man mit dem Revierförster Urs Huber, der seit über 25 Jahren hier erfolgreich tätig ist und auch die Wälder von Eggenwil und im Kelleramt diejenigen von Oberlunkhofen, Jonen, Arni und Islisberg betreut, über frisch aufbereitete, an den Rändern gepflegte Waldwege durch den gerühmten Emauswald.
Es ist eine Naturkundeschule der allerbesten Art, für den interessierten Laien eine Freude. An vorbereiteten Posten – sie waren aber nur mit einem einfachen Plastikband um die Eichenstämme markiert – erklärte Urs Huber sehr verständlich die Natur, die seine Leidenschaft ist. Man erfuhr, dass die «Lichtbaumart» Eiche viel Licht und Wärme im Kronenraum braucht, dass man, um einer Eiche den nötigen Freiraum zu geben, rundum schweren Herzens fünf Buchen fällen muss. Und dass die Eiche, welches Alter sie auch hat, darauf dann positiv reagiert. «Sie schauen auf ihren Waldspaziergängen auf den Boden, der Förster schaut hinauf in die Kronen», sagte er. «Auf dreissig Metern Höhe sagt dir der Baum: Ich bin grün, ich bin gesund, ich habe Luft, ich fördere genügend Wasser, mich bedrängt keine Buche.»
Vielseitig einsetzbar
Urs Huber beleuchtete die Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert waren Eichenwälder in weiten Gebieten der Schweiz wichtige Lebensgrundlage der Menschen: Eicheln nährten die Schweine, Stämme lieferten dauerhaftes Bauholz, aus der Rinde gewann man Stoff fürs Gerben von Leder. Mächtige kerzengerade Eichenstämme wurden zu Schiffsmasten und halfen den Seefahrern, die Kartoffel aus den Anden einzuführen, ganze Eichenwälder wurden zu harten Eisenbahnschwellen.
Dass man heute bessere Prioritäten setzt, zeigte Urs Huber auch auf: Wirtschaftliche Aspekte treten zugunsten von Nachhaltigkeit (geerntet wird nur der natürliche Zuwachs an Holz), ganzheitlich werden andere früher verteufelte Pflanzen wie Efeu und Brombeeren zugelassen, das heisst modern Biodiversität, man weiss also auch, dass eine Buche dreimal weniger Kleinlebewesen beherbergt als eine Eiche. Und das ist gut so – und sehr interessant.