«Sie ist ein Finöggeli»
03.08.2021 MutschellenSommerserie «Tag der …»: Auf den Spuren der Wassermelone auf dem Mutschellen
Sie kommt meist aus Italien oder Spanien und gehört zum Schweizer Sommer wie kein anderes Obst: die Wassermelone. Auf der Suche nach ihr auf dem Mutschellen zeigt sich, dass ...
Sommerserie «Tag der …»: Auf den Spuren der Wassermelone auf dem Mutschellen
Sie kommt meist aus Italien oder Spanien und gehört zum Schweizer Sommer wie kein anderes Obst: die Wassermelone. Auf der Suche nach ihr auf dem Mutschellen zeigt sich, dass die lokale Produktion eine Herausforderung ist – und es trotzdem Bestreben gibt, lokale und frische Melonen an Liebhaberinnen und Liebhaber zu bringen.
Celeste Blanc
Keine andere Frucht ist so mit dem Sommer verbunden wie die Melone. Sie ist süss und bietet Ausgangslage für so manch feine Speise: Sei es nun die Glace, der Apéro mit Schinken oder in kleinen Stücken im Sommersalat. Oder eben die Wassermelone in den typisch geschnittenen Stücken, in die man gerne auch mal herzhaft reinbeisst.
In den südlichen Gebieten zu Hause, erfreut sie sich auch hierzulande grosser Beliebtheit. Doch ihr Anbau in unserer Klimazone ist nicht leicht. Das weiss auch Roger Gündel, Gärtnermeister der Bio-Gärtnerei Birchhof in Oberwil-Lieli. «Die Melonen wollen sich hier – anders als ihre Familienverwandten, der Kürbis oder die Zucchetti – einfach nicht anpassen», weiss Gündel und meint lachend: «Sie ist eben ein Finöggeli.»
Viel Nässe nicht gewohnt
Grundsätzlich wachse die Wassermelone dort gut, wo sich auch die Trauben wohlfühlen: am Südhang mit durchlässigem Boden, wo sich keine Staunässe bildet. Deshalb ist für sie die Tröpfchenbewässerung ideal. «Wie die Tomaten mag auch die Wassermelone kein direktes Wasser», so der Gärtner.
Der Grund ist, dass die Melone ursprünglich aus dem Mittelmeerraum kommt und zu viel Wasser nicht gewohnt ist. «Bei viel Wasser wachsen auf den Blättern Pilze. Das ist ein natürlicher Vorgang. Der Kürbis beispielsweise hat sich an diese Umstände sehr gut angepasst», erklärt Gündel. Nebst dem Regen haben weitere klimatische Bedingungen grossen Einfluss auf das, was die Wassermelone ausmacht: «Die südländische Wärme macht die Wassermelone zu dem, was wir an ihr mögen: Sie gibt ihr den süssen und intensiven Geschmack.» Obwohl die Sommer in der Schweiz immer wärmer werden, zeigt es sich dennoch auch in Zukunft nicht an, die Wassermelone auf Feldern anzubauen. «Prognosen für zukünftige Sommer zeigen, dass es zwar heisser sein wird, aber damit verbunden auch die Gewitter und damit der Regen zunehmen. Wenn es in zwei Tagen so viel regnet wie normalerweise in einem Sommer, macht die Staunässe die Pflanzen kaputt.»
Was hingegen möglich wäre, ist der Anbau in einem Gewächshaus. So mache man es heute auch bei der Gurke, die wie die Wassermelone aus einem warmen Gebiet kommt. «Der Vorteil bei der Gurke ist, dass die Früchte relativ leicht sind, sodass man sie im Gewächshaus an Konstruktionen hochhängen kann.» Das ginge bei der Wassermelone ohne zusätzlichen Aufwand nicht, denn eine kleine Wassermelone ist schnell mal zwei bis drei Kilo schwer.
Wassermelone für 20 Franken
Die Hochhäng-Methode zeige sich beispielsweise in Ländern wie Japan an, wo sie sehr verbreitet ist. Die Melonen werden mit Netzen an einer Konstruktion befestigt. So reisse die Frucht nicht die langen Triebe auseinander. In Japan mache ein solcher Anbau aber wesentlich mehr Sinn: «Anders als bei uns müssten die Früchte über Meereswege importiert werden. In der Schweiz kommen sie auf dem Landweg von Italien und Spanien», weiss Gündel. Im Vergleich zu den importierten Wassermelonen würden hiesige, mit dieser Methode produzierte Wassermelonen schätzungsweise um die 20 Franken kosten. «Und das ist nicht rentabel», so der Gärtner.
Begeisterung schnell verlogen
Auch auf dem Birchhof habe man bereits als Experiment versucht, die Wassermelone zu ziehen. Vor gut 10 Jahren habe man sie im Gewächshaus angepflanzt. Doch der Teppich aus Trieben hatte nicht genügend Platz. «Schnell merkten wir, dass das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zu gross war», so Gündel. Der Anbau konnte nicht mit dem preisgünstigen Import konkurrieren.
Dennoch war die Nachfrage der Kundschaft gross – nicht nach dem Obst selbst, sondern nach den Setzlingen, um sie selber im Garten zu ziehen. «Wie gesagt, ist die Melone sehr heikel. Sie ging schnell kaputt in den Gärten. Nach zwei Jahren war die Begeisterung dafür verflogen», erzählt der Gärtner. Für ihn ist klar, dass sich der Anbau von Wassermelonen in der Region Mutschellen und auch schweizweit nicht eignet. «Auch wenn sie ein super Obst ist, das ich – sofern es eine Honigmelone ist – selber gerne esse», lacht er.
Eine Herausforderung
Dass der Anbau von Wassermelonen in der Schweiz aussergewöhnlich ist, wissen auch Thomas Winkler und Jonas Eichenberger vom Green-Tech-Start-up JackRipe in Widen. Das Unternehmen, das seit April dieses Jahres frische Lebensmittel direkt vom Bauernhof in der Region in die Haushalte auf dem Mutschellen liefert, sehe das Angebot von Wassermelonen in seinem Bestand als Herausforderung an, die es gerne annehmen würde. «Grundsätzlich streben wir immer an, der Kundschaft aussergewöhnliche Produkte zu bieten, sofern sie lokal produziert sind», erzählt Jonas Eichenberger, der auf die lokale Landwirtschaft und Produktion spezialisiert ist, «und da fällt die Wassermelone sicher darunter.»
Sie sei eine Frucht, die gut bei den Konsumenten ankomme. Winkler und Eichenberger, die mit JackRipe auch das «saisonale Denken» in der Region wieder fördern möchten, sind immer wieder auf der Suche nach exklusiven Produkten. «Wir träumen davon, mit unserem Engagement auch die Landwirte zum Versuch zu inspirieren, Neues anzubauen», erklärt Thomas Winkler.
Das exklusive Obst
Hinsichtlich ihres Ziels, Wassermelonen bei JackRipe zu vertreiben, sind Thomas Winkler und Jonas Eichenberger bereits im Gespräch mit einem Produzenten in Birmensdorf, der die Wassermelone nebenbei in einem leer stehenden Gewächshaus zieht. Wenn alles rundläuft, können bei JackRipe Anfang August die «lokalsten Melonen der Region» gekauft werden.
«Die Melone ist ein exklusives Produkt. Da es in kleinem Stil produziert wird, würde nur eine kleine Anzahl auf unserer Homepage verkauft werden», erklärt Eichenberger. Durch diese Kooperation können Winkler und Eichenberger ihrem Credo, dass Gemüse oder Obst möglichst wenig Kilometer zurücklegen muss, treu bleiben. Und ehrlich gesagt, eine frische Wassermelone zu geniessen, die tags zuvor noch auf dem Feld lag, hat schon etwas.