Ganz viele Varianten geprüft
26.05.2021 NiederwilGut besuchter Infoabend zum geplanten Neubau einer Asylunterkunft
Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde, eine Alternative für die in die Jahre gekommene Baracke zu finden. Jetzt will sie aktiv werden und selber ein Gebäude bauen. Finanziell wäre das die ...
Gut besuchter Infoabend zum geplanten Neubau einer Asylunterkunft
Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde, eine Alternative für die in die Jahre gekommene Baracke zu finden. Jetzt will sie aktiv werden und selber ein Gebäude bauen. Finanziell wäre das die beste Lösung – aber für die Gegner zählen besonders die emotionalen Argumente.
Chregi Hansen
Nach dem Nein zum letzten Projekt ist die Gemeinde bestens vorbereitet. Auf insgesamt 30 Folien stellt die zuständige Gemeinderätin Cornelia Stutz das Projekt ausführlich vor. Mit vielen Bildern, Plänen, einer Visualisierung gar und genauen Zahlen. Und man hat gerechnet. Acht verschiedene Varianten wurden berechnet und einander gegenübergestellt.
Das Resultat ist eindeutig. Der Bau einer eigenen Unterkunft für die zugeteilten Asylbewerber kommt – trotz der Baukosten – die Gemeinde auf die Länge am günstigsten. Falls alles so eintrifft wie geplant, ergibt sich am Schluss ein kleines Plus von rund 9000 Franken pro Jahr. «Man sieht, mit dem Asylwesen kann man auch Geld verdienen. Wobei dies aber nicht unser Ziel ist», so Stutz.
Nur ungenügende Angebote erhalten
Dies ist möglich, weil die Gemeinde für die eigene Unterbringung eine Pauschale vom Bund bekommt. Das Geld reicht, um die Kosten für die Betreuung, die Unterstützung der Personen und auch die Gebäudekosten zu decken. Diese belaufen sich laut Berechnung bei der geplanten Lösung bei geschätzten Baukosten von 860 000 Franken auf knapp 60 000 Franken pro Jahr – inklusive Baurechtszins und Abschreibung. «Ich gebe zu, 860 000 Franken klingt im ersten Moment nach viel. Aber man muss dies auf die Dauer von 35 Jahren sehen», erklärt Stutz. Denn so lange dauert die Abschreibung.
Alle anderen Möglichkeiten, welche die Gemeinde hat, kommen sie unter dem Strich teurer. Egal, ob sie in der Gemeinde bestehende Wohnungen mietet, sich einer anderen Gemeinde anschliesst oder Ersatzzahlungen leistet – letzte würden pro Jahr rund 370 000 Franken ausmachen. Zwar wurden der Gemeinde nach einem Aufruf auch bestehende Liegenschaften zum Kauf angeboten. «Das waren aber alles sanierungsbedürftige Gebäude zu einem viel zu hohen Preis», berichtet Gemeinderat Daniel Pietsch. «Die Berechnungen zeigen ein deutliches Bild. Der Bau einer eigenen Unterkunft ist die günstigste Variante. Und damit für die Gemeinde die beste Lösung», betont Stutz.
Anwohner befürchten eine Wertminderung ihrer Häuser
Niederwil nimmt sich die Unterkunft in Eggenwil als Vorbild. Der Bau eines zweigeschossigen Hauses mit zwei Wohnungen hat den Vorteil, dass bei einer Abnahme der Asylbewerberzahlen eine Wohnung anders genutzt werden kann, beispielsweise für Sozialfälle. Umgekehrt sind die Zimmer so gestaltet, dass bei einer Zunahme der Zahlen mehr Menschen Platz finden. Im geplanten Bau können also zwischen 6 und 18 vorläufig aufgenommene Personen wohnen. Ein weiterer Vorteil: Es gibt viel Umschwung auf dieser Parzelle. «Die Menschen aus diesen Ländern sind es gewohnt, viel draussen zu sein. Allenfalls kann die Betreuung mit ihnen sogar einen Gemüsegarten anlegen», schaut Stutz bereits voraus.
Die Zahlen sind das eine. Doch wenn es um die Unterbringung von Asylsuchenden geht, dann kommen eben auch andere Aspekte ins Spiel. Viele tun sich schwer mit der Vorstellung, eine solche Unterkunft in ihrer Nähe zu haben. Sie befürchten eine Abwertung ihrer Liegenschaft und allfällige Schäden und sonstige Probleme. Ob denn die Gemeinde dafür geradesteht, wollten einige der anwesenden Stimmbürger wissen.
Die Gemeinde habe viel Erfahrung mit der jetzigen Unterkunft mitten im Dorf. «Probleme sind keine bekannt, viele Anwohner bezeichnen die Bewohner als freundlich und anständig», betont Stutz. So gab es in den letzten Jahren genau zwei Polizeieinsätze, einmal wegen eines Streites unter den Bewohnern, einmal, weil sich eine Person dort aufhielt, die nicht dort sein durfte. «Das zeigt, dass die Kontrolle funktioniert», so die Gemeinderätin.
Warum nur 35 Jahre?
Und Amtskollege Pietsch hat wenig Verständnis für die befürchtete Wertverminderung. Der Immobilienmarkt werde durch verschiedenste Faktoren beeinflusst, betonte er. Und seit Corona wisse man, dass Prognosen schwierig sind. Man könne aber sagen, dass das Quartier durch den Neubau aufgewertet werde, denn heute stehe da quasi eine Ruine. «Und wenn Ihr Nachbar sich entschliesst, seine Liegenschaft an Asylbewerber zu vermieten, dann haben Sie auch keine Möglichkeit, sich zu wehren», betont er.
Neben den vorhandenen Ängsten wurden am Infoabend auch sachliche Fragen gestellt. Beispielsweise, warum der Baurechtsvertrag mit dem Verein Gnadenthal nur über 35 Jahre laufe. Das ist eher wenig in einem Fall, bei dem ein Gebäude gebaut wird. «Die Länge ist immer eine Verhandlungssache», erklärt Stutz. «Wir hätten gerne eine längere Laufzeit gehabt, der Verein eine weniger lange. Die 35 Jahre sind das Minimum, bis dann ist das Gebäude abgeschrieben.» Auch wurde der Vorschlag gemacht, die gemeindeeigenen Wohnungen im Postgebäude zu nutzen. Die sind derzeit belegt und man wolle niemandem kündigen, um dann dort A sylbewerber einzuquartieren, «denn dann hätten wir richtig Feuer im Dach», ist die Gemeinderätin überzeugt. Und nein, auch wenn man sogar Geld verdienen kann mit einer Unterkunft, so bestehen keine Pläne, ein zweites Haus auf dem Grundstück zu bauen, obwohl der Platz vorhanden wäre. «Wir wollen lediglich die gesetzliche Pflicht erfüllen. Aber das wollen wir», so Stutz.
Die Zeit drängt
An der «Gmeind» vom 22. Juni geht es nun um den Kredit über 860 000 Franken für den Bau einer eigenen Unterkunft. Wird er angenommen, beginnt die Detailplanung und die Ausschreibung. Der Baubeginn wäre im Frühling 2022, der Bezug ein halbes Jahr später. «Unser Ziel ist immer die beste Lösung für die Gemeinde», betont Gemeinderätin Cornelia Stutz an diesem Abend. «Aber letztlich müssen die Stimmbürger entscheiden. Und wir werden diesen Entscheid akzeptieren.» Andererseits: Die jetzt genutzte Arbeiterbaracke auf dem ehemaligen Gelände der Firma Stenz genügt den Ansprüchen schon länger nicht mehr. Und bald muss die Heizung ersetzt werden. Die Zeit drängt also. Und die Diskussion an der «Gmeind» wird spannend.