Der Ölberg an der St.-Anna-Kapelle
01.04.2021 BremgartenDas Mysterium um die Leidensgeschichte von Jesus Christus im Garten von Gethsemane
An der Nordostseite der St.-Anna-Kapelle im Kirchenbezirk von Bremgarten befindet sich der erkerartige baldachinförmige Schrein eines Ölbergs von 1645/46, der sich wie ein Flügelaltar ...
Das Mysterium um die Leidensgeschichte von Jesus Christus im Garten von Gethsemane
An der Nordostseite der St.-Anna-Kapelle im Kirchenbezirk von Bremgarten befindet sich der erkerartige baldachinförmige Schrein eines Ölbergs von 1645/46, der sich wie ein Flügelaltar aufklappen lässt. Das Wunderwerk sollte den Menschen den Leidensweg Christi anschaulich näherbringen.
Das Gesamtwerk wurde vom Badener Bildhauer Gregor Allhelg geschaffen und ist in seiner Anlage und seinem Aufbau ein Unikum der schweizerischen Kirchenarchitektur. Es birgt eine kniende Christusfigur (1,50 Meter hoch) und darüber einen Engel mit Kreuz und Kelch. Die Innenseiten der Flügel tragen drei geschnitzte Reliefs mit der Darstellung von Szenen aus der Passion Christi: links in einer von üppiger Vegetation überwucherten Landschaft die schlafenden Jünger am Ölberg, rechts in einem Doppelrelief der Verrat und die Gefangennahme Christi mit dramatisch komponierten Figuren, die an ein volkstümliches Passionsspiel erinnern.
Auf den Innenseiten der beiden ungleichen Flügel befinden sich drei geschnitzte Reliefs mit Szenen aus den letzten Tagen vor Jesu Kreuzigung. Jesus war in der Nacht vor seiner Kreuzigung im Garten Gethsemane zusammen mit seinen Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes. Jesus sagt zu ihnen: «Bleibt hier und wacht!» Dann entfernt er sich und betet: «Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst.» Als er zurückkehrt, findet er die drei schlafend.
Die zweite Relieftafel zeigt die Szene, die der Gefangenschaft Jesu vorausgeht: Judas, der Verräter, wusste, wo Jesus war, und kam mit der Kohorte der Hohen Priester. Diese hatten Lampen und Fackeln dabei, trugen Helme und waren bewaffnet. Der Künstler stellt Jesus gross, ruhig und aufrecht dar. Er ist die einzige Person, die in voller Grösse erscheint. Seine Handbewegung unterstreicht: «Ja, ich bin es.»
Die Geschichte geht nahtlos ins dritte Bild über: Judas kommt herbei, einer der zwölf Apostel. Er hat mit den Soldaten das Zeichen abgemacht: «Den ich küssen werde, der ist es. Den nehmt fest und führt in sicher ab.» Und er geht sogleich auf Jesus zu und sagt: «Rabbi» – und küsst ihn. Sie aber ergriffen ihn und nahmen ihn fest.
Das ist die eindrücklichste Szene dieser einzigartigen Ölbergdarstellung. Sie ist hochdramatisch. Judas legt seine Hand auf den Kopf Jesu, in seiner Rechten hält er den Geldbeutel, den Judaslohn, die 30 Silberlinge, das Schandgeld, während er Jesus küsst. Jesus erscheint gefasst, ruhig und geht nun den Weg zur Passion. Im Vordergrund der knabenhaft kleine Petrus, der dem geduckten Knecht Malchus immerhin noch ein Ohr abhaut.
Wer war Gregor Allhelg, der Künstler hinter diesem Werk?
Auch wenn keine Inschrift besteht: Aufgrund von Stilvergleichen ist unter Historikern der Schluss erstellt, dass der Badener Bildhauer Gregor Allhelg der Künstler es Werks ist. 1646 soll dieser Altar entstanden sein, zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Allhelg soll wegen dieser Kriegswirren aus dem Elsass in unsere Region eingewandert sein. Er hat im Raum Baden-Freiamt bis zu seinem Tod 1676 viele Kunstwerke erschaffen, auch in Stans und in Luzern. 1653 erstellte er den Synesius-Altar in Bremgarten. Auch der schwarzmarmorne Taufstein soll aus seinem Atelier stammen. In Baden ist Meister Allhelg auch als Architekt tätig. Er wird 1657 Badener Bürger. Auch der Hochaltar der Pfarrkirche in Göslikon geht auf ihn zurück.
Die Anna-Kapelle wurde 1487 erbaut, diente zunächst als Beinhaus. Daran erinnert der Totenkopf im Zentrum des Kreuzes, das sich auf der Spitze des Dachreiters befindet. Der Friedhof befand sich auf dem Areal rund um die Stadtkirche. Die beim Aufheben älterer Grabstätten auffindbaren Gebeine wurden ins Beinhaus überführt. --rts