Unsicheren Zeiten trotzen
16.03.2021 BremgartenDie Junge Bühne probt
In Kleingruppen und mit Schutzkonzepten arbeitet das Theaterensemble am Werk «Wahrheit».
Eine Aufführung zu erarbeiten, die thematisch und konzeptionell in die heutige Zeit passt – das ist das Bestreben der ...
Die Junge Bühne probt
In Kleingruppen und mit Schutzkonzepten arbeitet das Theaterensemble am Werk «Wahrheit».
Eine Aufführung zu erarbeiten, die thematisch und konzeptionell in die heutige Zeit passt – das ist das Bestreben der Jungen Bühne. Unter der Leitung von Regisseur Simon Landwehr probt man seit September unter speziellen Bedingungen: So hat sich das Ensemble in kleine Gruppen aufgeteilt, um unter der Einhaltung der Coronamassnahmen im Theater oder am Computer zu üben. --cbl
«Bleibt spannend – bis zum Schluss»
Im Kellertheater wird unter Coronaauflagen eissig geprobt
Theaterproben zu Zeiten von Corona sind schwierig. Trotzdem entschied sich die Junge Bühne, ein Stück zu erarbeiten und dieses unter speziellen Übungsbedingungen zu proben. Das Resultat ist eine innovative und etwas andere Form zum klassischen Theaterstück.
Celeste Blanc
Fussstampfen hallt durch das Kellertheater. Dort, wo normalerweise die Bühne steht, stimmen sich die Schauspieler Silvan Melchior, Valery Fricker und Angela Villiger für die Theaterprobe ein. Zur Aufwärmung laufen sie kreuz und quer, ihre Wege führen aneinander vorbei, von der einen Ecke zur anderen und zurück. Regisseur Simon Landwehr beobachtet alles. «So, jeder auf seine Position. Wir beginnen mit den Einzelvorstellungen», weist er die Schauspieler an. Die Gruppe von Simon Landwehr ist eine von neun Kleingruppen, die für das Stück «Wahrheit» separat ihren Auftritt proben – trotz und wegen der Coronamassnahmen unter speziellen Übungsbedingungen. Am 3. April möchte die Junge Bühne Premiere feiern und den Theaterbesucherinnen und -besuchern ein Stück der etwas anderen Art präsentieren.
Flexibel bei weiteren Entwicklungen
Nachdem das Kellertheater neun Aufführungen von «Macbeth» im ersten Lockdown absagen musste und sie wegen der prekären Lage im Herbst nicht wieder aufnehmen konnte, wollte man etwas Neues auf die Beine stellen. «Fast eineinhalb Jahre nicht auf der Bühne zu stehen – das kam nicht in Frage», erzählt Regisseur Simon Landwehr, «Kunst und Kreativität sollten nicht wieder auf Eis gelegt werden.»
Unter seiner Leitung kam das Theaterensemble der Jungen Bühne im letzten September für ein erstes Brainstorming zusammen: «Es sollte ein Stück sein, das in die heutige Zeit passt, thematisch, aber auch konzeptionell. Der Hauptfokus lag von Beginn an darauf, etwas «Ausfallsicheres und Pandemiekonformes zu erarbeiten». Damit das Stück trotz der pandemischen Entwicklungen aufgeführt und die Proben bei zusätzlichen Einschränkungen durch den Bund oder allfälligen Erkrankungen möglich seien, wurden bereits zu Beginn der Planung diverse Schutzkonzepte im Stück integriert, so das Proben in kleinen Gruppen etwa oder der coronakonforme Aufbau der Theaterkulisse, die sich aus verschiedenen Bühnen zusammensetzt.
Kaum wiederzuerkennen
Nachdem das Konzept von September bis November «im normalen Vorgang» erarbeitet worden war, fingen im Dezember die konkreten Proben an. In neun kleinen Gruppen wurden individuell separate Inszenierungen erarbeitet, die Teile des Stücks «Wahrheit» sind. «Als im Dezember dann vom Bundesrat die Fünf-Personen-Regelung verkündet wurde, waren wir im Nachhinein sehr froh um die umsichtige Planung», lacht Schauspieler Silvan Melchior.
«Wahrheit» setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, von Inszenierungen bis hin zu Audiooder Film-Installationen. Diese werden auf unterschiedlichen Bühnen gezeigt (8 kleine Bühnen à 8 Minuten sowie die grosse Bühne à 16 Minuten). Das Kellertheater ist daher kaum wiederzuerkennen. Wo normalerweise rund 140 Personen sitzen würden, sind entlang der Wände je drei kleine Bühnen aufgebaut. Neun Kleinbühnen sind es insgesamt. Silvan Melchior freut die kreative Umgestaltung: «Dank dem Schutzkonzept kann der Raum eine ganz andere Bühne werden. Diese Chance haben wir genutzt.»
Dezentrales Proben
Die Gruppe von Regisseur Landwehr probt an diesem Abend vor Ort. «Silvan, komm ein wenig nach vorne, in der Nische da sieht man dich nicht», unterbricht Simon Landwehr kurz. Silvan wechselt den Platz, doch der Regisseur ist noch nicht ganz zufrieden: «Das Licht ist suboptimal, das müssen wir diese Tage nochmals überdenken.» Dezentral waren die Proben allemal: Mal gab es eine Probe einer kleinen Gruppe im Kellertheater selbst, mal tauschte man sich virtuell aus. Auch wurden bei der Probe vor Ort die Theaterkollegen für ein Feedback über das Internet live zuschalten.
Um die einzelnen Inszenierungen des Stückes im Ensemble zu koordinieren, gab es häufige Onlinemeetings, bei denen man sich gegenseitig auf den neusten Stand brachte. «Obwohl vieles dezentral lief, fand an diesen Meetings der künstlerische Prozess und der Abgleich statt», erzählt Regisseur Landwehr, «das war sehr bereichernd für die Inhalte des Stückes.»
Theater der etwas anderen Art
Die Probebühne von Silvan Melchior und seinen Kollegen wird plötzlich hell. Techniker Pascal Eichenberger ist vor Ort, um bei den verschiedenen Bühnen die Beleuchtung und die Technik zu testen. Inspiriert durch die Form einer Ausstellung werden bei den Aufführungen jeweils zwei Besucher auf einem selbst gebauten «Wägeli» von Helfern von Bühne zu Bühne geschoben. Während eines Abends können auf 16 Wägeli rund 32 Besucher das Stück sehen. «Die Umsetzung barg einige Herausforderungen», verrät Schauspieler Melchior. Einerseits die Lifttechnik, da die Fahrt auf dem Wägeli im Spiegelsaal beginnt, andererseits die Akustik, weil mehrere Inszenierungen gleichzeitig laufen. «Doch vor allem muss der Zeitplan exakt sein. Er muss auf die Sekunde genau stimmen, damit es keine Verzögerungen im Stück gibt», so Melchior. Auch hier ist alles auf Coronakonformität ausgerichtet: Da einige Stücke filmische Vorproduktionen oder Audioinstallationen sind, sind nur wenige Schauspieler während der Aufführung anwesend.
Rollende Planung
Als «persönliche Herausforderung» beschreiben Regisseur Simon Landwehr und Schauspieler Silvan Melchior die Umsetzung des Theaterstücks. «Während Corona hat sich die Chance geboten, etwas Innovatives zu realisieren, und wir haben sie genutzt», so Landwehr. Der Jungen Bühne war es wichtig, während der Pandemie einen Weg zu finden, wie man trotz Einschränkungen Kreativität und Kunst schaffen kann. «Wir wollten nach dem ersten Lockdown im Frühling einen weiteren Stopp von Kultur und Kreativität stoppen und etwas kreieren, das sich innerhalb der Möglichkeiten und der Grenzen realisieren lässt», so Regisseur Landwehr.
Das war nicht immer einfach. So kam es auch zu prekären Situationen, beispielsweise, als eine Gruppe ihren Krimi für eine der Installationen drehen wollte. «Wir hatten den Dreh auf ein Wochenende im Dezember geplant. Am Mittwoch verkündete der Bundesrat, dass man sich privat nur noch in Fünfergruppen aus zwei Haushalten treffen dürfe. Als am Freitag die Zwei-Haushalte-Regelung nur als Empfehlung ausgesprochen wurde, konnte trotzdem gedreht werden», erzählt Silvan Melchior und meint dabei lachend: «Ein ideales Beispiel für die rollende Planung über das ganze Stück hinweg. Es bleibt spannend – vom Anfang bis zum Schluss.»



