Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Wo wollen Sie in 100 Tagen sein?
Vielleicht haben Sie diese Nachricht auch erhalten: Persönliche Einladung zur Ambition Challenge (Karriereplanung für Frauen) – Wo wollen ...
Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Wo wollen Sie in 100 Tagen sein?
Vielleicht haben Sie diese Nachricht auch erhalten: Persönliche Einladung zur Ambition Challenge (Karriereplanung für Frauen) – Wo wollen Sie in 100 Tagen sein? Beim Lesen brummelt etwas in mir – in 100 Tagen möchte ich gerne noch am Leben sein. Dann rechne ich, komme auf Anfang Juni und hoffe, dann geimpft zu sein. Oder: In den Ferien möchte ich dann sein!
Planen ist momentan schwierig. Den Arbeitstag zu planen, das finde ich leicht. Ich schreibe Listen, verteile meine Aufgaben auf die Wochentage und hake mit grösstem Vergnügen Erledigtes ab. Aber Planen überhaupt, das ganze Leben, oder mindestens das Arbeitsleben und eine vorzeigbare Karriere, das konnte ich nie. So viel Zufall spielt mit: Sehe ich das Inserat, das eine interessante Stelle für mich verspricht – oder landet mein Blick woanders? Falls ich mich bewerbe: Wie viel Zeit nimmt sich der potenzielle Arbeitgeber für mein Dossier? Wenn ich jetzt auf meinen beruflichen Weg zurückschaue, gab es immer unvorhersehbare Kurven, Weggabelungen, und eben Zufälle.
Einst sagte ich an einer Tagung, ich hätte vor zehn Jahren nie gedacht, dass ich jetzt da auftreten würde. Beim nachfolgenden Pausen-Kaffee wurde ich heftig von einer Frau angegangen, die meinte, gerade Frauen müssten doch ihre Karriere planen. Ich war platt, denn meine Aussage war die reine Wahrheit. Aus den 1960er-Jahren stammt der Satz von Robert Mager: «Wer nicht genau weiss, wohin er will, muss sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt.» Ziele sind gut, und ein geplantes Vorgehen ist wichtig, und gleichzeitig hat das Planbare Grenzen. Ich muss bereit sein, meine Planung zu kippen oder an die Gegebenheiten anzupassen, die ich im Moment antreffe und nicht voraussehen konnte.
«Wer nur das Ziel kennt, trifft auch dieses nicht» meint der polnische Aphoristiker Stanislaw J. Lec. Wer mit Scheuklappen vorwärtsgeht und nicht sieht, was links und rechts am Wegrand blüht, verpasst vieles. Frage ich am Ende eines Seminartages meine Teilnehmenden, was sie gelernt hätten, erwähnen sie oft Dinge von eben diesem Wegrand, der anfangs gar nicht im Fokus der Planung stand. Sicher ist: Ich hatte nicht geplant, dass ich jetzt hier mit einer Kolumne erscheine.