An der Russischen Riviera
29.01.2021 Sport«Freiämter Olympioniken»: Matthias Bieber
Die Schweizer Eishockeynationalmannschaft schied an den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 bereits in der Viertelfinal-Qualifikation aus. Der in Jonen wohnhafte Matthias Bieber war damals Teil des Schweizer Teams. Trotz des ...
«Freiämter Olympioniken»: Matthias Bieber
Die Schweizer Eishockeynationalmannschaft schied an den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 bereits in der Viertelfinal-Qualifikation aus. Der in Jonen wohnhafte Matthias Bieber war damals Teil des Schweizer Teams. Trotz des sportlich unglücklich verlaufenen Turniers hat er gute Erinnerungen an Olympia am Schwarzen Meer. In der Serie «Freiämter Olympioniken» erzählt er von seinen Erlebnissen in Sotschi. Von Begegnungen mit russischen Securitys, sprachlichen Barrieren bei der Dopingkontrolle und Kriegsschiffen an der «Russischen Riviera». --jl
Abenteuer am Schwarzen Meer
Serie «Freiämter Olympioniken»: Matthias Bieber aus Jonen – Olympia 2014 in Sotschi
Im Frühling hat Matthias Bieber seine Profikarriere beendet. Einer seiner Höhepunkte war die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi. Trotz frühen Ausscheidens der Schweiz und einiger kurioser Erlebnisse in Russland.
Josip Lasic
Die Viertelfinal-Qualifikation ist die Endstation für die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi. Der in Jonen wohnhafte Matthias Bieber war damals Teil des Teams. «Ganz ehrlich haben wir uns das Ganze schon etwas anders vorgestellt», sagt der Stürmer.
Die Schweiz war als Silbermedaillengewinner der Weltmeisterschaft 2013 nach Russland gereist. In der Vorrunde gewann die Mannschaft mit 1:0 gegen Lettland und Tschechien und musste sich Weltmeister Schweden knapp mit 0:1 geschlagen geben. In der Viertelfinal-Qualifikation hiess der Gegner erneut Lettland. Ein Doppelschlag im ersten Drittel brachte die Letten mit 2:0 in Führung. «Wir hatten sie im ersten Spiel schon dominiert und nur knapp mit 1:0 gewonnen. Und auch in diesem Duell scheiterten wir immer wieder vor dem Goal», erzählt Bieber. Am Ende steht es 3:1 für die Letten. Die favorisierten Schweizer scheiden aus.
Heute bei seinem Spielerberater tätig
Sieben Jahre später ist die Enttäuschung von Sotschi komplett verflogen bei Matthias Bieber. «Ich musste sogar nachsehen, gegen wen wir überhaupt gespielt haben. Olympia ist mir in erster Linie als grossartiger Anlass in Erinnerung geblieben.»
2016 zog er mit seiner Frau Bettina und der gemeinsamen Tochter nach Jonen. Im Frühling hat der Eishockeyaner seine Profi-Karriere beendet. Als sein Vertrag mit dem SC Bern auslief, wollte der heute 34-Jährige ursprünglich einen neuen Verein suchen. «Mir wurde schnell klar, dass ich nicht mehr den Biss habe, täglich über meine Leistungsgrenzen zu gehen.» Bieber, der im September zum zweiten Mal Vater geworden ist, bereut seine Entscheidung nicht. In den letzten Jahren war seine Karriere von Verletzungen geprägt. «Wenn mein Sohn zehn Jahre alt ist, will ich noch mit ihm Ski fahren gehen können. Mein Körper bestätigt mir, dass es Zeit war aufzuhören.»
Jetzt arbeitet er bei seinem ehemaligen Berater Georges Müller. Vor 15 Jahren war Bieber dessen erster Klient. Mittlerweile ist Müller einer der wichtigsten Spieleragenten im Schweizer Eishockey. Er hat sich mit dem Olympiateilnehmer von 2014 viel zusätzliches Eishockey-Know-how ins Boot geholt. «Mir macht die Arbeit grossen Spass. Ich sehe mich weniger als Agent, sondern mehr als Scout, Berater und Betreuer der jungen Spieler, die bei uns unter Vertrag sind, und bin fürs Player Development zuständig.»
Kriegsschiffe und russische Securitys
Olympia 2014 ist mittlerweile als einer der Karrierehöhepunkte beim Kellerämter abgespeichert. Dabei war es in diesem Jahr aus sportlicher Sicht nicht der einzige Schlag ins Gesicht. Nach dem Wettkampf in Sotschi erreicht er mit Kloten den Play-off-Final. Dort unterliegt das Team ausgerechnet dem Erzrivalen ZSC Lions mit 0:4.
«Wenn man Teil der Nationalmannschaft ist, sieht man nach einem verlorenen Play-off-Final der WM als Aufsteller entgegen. Ich habe sie damals aber verletzungsbedingt verpasst.» Ohne den Stürmer kann die Schweiz den Exploit von 2013 nicht wiederholen und landet auf dem 10. Platz. «Sportlich hätte das Jahr besser laufen können. Dennoch war Olympia etwas Besonderes. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits an drei Weltmeisterschaften gespielt», erzählt er. «Es tönt vielleicht etwas arrogant, aber mit der Zeit wird auch das eine Art ‹Gewohnheit›. Als ich dann für Olympia selektioniert wurde, habe ich mich aber riesig gefreut und war sehr geehrt.»
Sie sagten: «Go Home, sleep»
Dabei klingen nicht alle Anekdoten, die der ehemalige Eishockey-Profi von den Olympischen Spielen in Sotschi erzählt, als wirklich erfreuliche Ereignisse. So war beispielsweise das olympische Dorf getrennt. «Die Disziplinen auf Eis wie Curling, Eiskunstlauf oder eben Eishockey waren am offiziellen Hauptort untergebracht, wo auch das ‹House of Switzerland› war. Die Sportler der Disziplinen, die auf Schnee stattfinden, waren an einem anderen Ort.» Bieber ergänzt: «Daran gemessen, dass unser Teil des olympischen Dorfes der Hauptort gewesen sein soll, war ganz schön tote Hose dort. Man sah selten einen Menschen.»
Eine der wenigen Begegnungen mit anderen Menschen hätte sich Bieber dafür gerne erspart. An einem Abend waren der Joner und ein weiteres Teammitglied der Schweizer Eishockey-Nati auf dem Weg vom Abendessen in Richtung ihrer Schlafunterkunft. Dabei trafen sie auf die Security-Leute, die dafür sorgen sollten, dass am Abend niemand Fremdes im olympischen Dorf ist. «Sie haben uns angehalten und auf Russisch gesprochen. Wir haben kein Wort verstanden. Irgendwann sagten sie auf Englisch ‹Go Home, sleep.›» Der Eishockeyspieler, der über 1,80 m gross ist und kräftig gebaut, war von den Securitys eingeschüchtert. «Sie haben optisch alle Klischees erfüllt, wie man sich russische Sicherheitsleute vorstellt. Wenn dir solche Typen sagen, dass du nach Hause gehen sollst zum Schlafen, dann machst du das einfach und diskutierst nicht lange.»
«Du hörst nur Russisch und dann das Wort Doping»
Allgemein war die Sprache ein Problem. Nicht unter den Athleten selbst. Da wurde Englisch gesprochen, berichtet Bieber. Die Funktionäre konnten oft aber nur Russisch. So wurde er während der Zeit in Sotschi auch durch lautes Klopfen an seine Schlafzimmertür geweckt. «Du hörst nur Russisch und dann noch das Wort Doping. Ich habe dann begriffen, dass es sich um die Dopingkontrolle handelt. Aber sich wirklich verständigen, das ging nicht.»
Den Ausblick aus seinem Zimmer konnte der Familienvater hingegen geniessen. Er hatte direkte Sicht auf das Schwarze Meer. Sotschi ist einer der beliebtesten Badeorte in Russland und die Region rund um die Stadt wird als «Russische Riviera des Schwarzen Meeres» bezeichnet. «Bei einem Blick aus dem Fenster war das Erste, was ich sah, allerdings ein Kriegsschiff», berichtet er. «Russland ist einfach eine andere Welt.»
Das Land repräsentiert
Bieber hat aber auch viele schöne Erinnerungen an Sotschi. Wie er sich mit dem Eishockeyteam die Wettkämpfe von Skispringer Simon Ammann angesehen hat und sie gehofft haben, dass er nach Salt Lake City und Vancouver wieder eine Medaille holt. «Leider hat das nicht geklappt.» Wie das Team einmal in die Stadt Sotschi selbst zum Abendessen ging. «Eine wunderschöne Stadt, aber enorm weit weg vom olympischen Dorf entfernt. Ich weiss nicht, wie viel die Menschen in der Stadt selbst von diesen Spielen mitbekommen haben.» Und wie grossartig das Gefühl war, die Schweiz zu vertreten. «Die Organisation des Ganzen ging schon lange vor dem olympischen Turnier los. Wir hatten einen offiziellen Termin, nur zum Ausrüsten und Kleiderfassen für Olympia», sagt er. «Es ist etwas ganz anderes als eine WM. Dort vertrittst du ‹nur› die Eishockeynation. An den Olympischen Spielen spürst du, dass du ein Repräsentant des ganzen Landes bist.»
Matthias Bieber spielt 2015 noch eine – seine letzte – Weltmeisterschaft. 2019 wird er mit dem SC Bern Schweizer Meister. «Sportlich waren das WM-Silber 2013 mit der Schweiz und der Schweizer-Meister-Titel meine grössten Erfolge. Wenn das nicht gewesen wäre, würde ich definitiv die Olympischen Spiele als grössten Erfolg nennen. Es ist etwas vom Grössten, was ich erlebt habe.»