Der Krimi um den Steuerfuss
29.12.2020 BremgartenRückblick 2020: Budget der Stadt Bremgarten erst nach über einem halben Jahr festgelegt
Unterschriftensammlung für ein Referendum, Nichtgültigkeitserklärung, Rekurs, Abstimmung, ausserordentliche «Gmeind»: Bis die Einwohnergemeinde ...
Rückblick 2020: Budget der Stadt Bremgarten erst nach über einem halben Jahr festgelegt
Unterschriftensammlung für ein Referendum, Nichtgültigkeitserklärung, Rekurs, Abstimmung, ausserordentliche «Gmeind»: Bis die Einwohnergemeinde Bremgarten ein rechtsgültiges Budget 2020 erhielt, musste manche Hürde übersprungen werden.
André Widmer
Das Jahr 2020 geht in die Geschichte der Stadt Bremgarten ein. Und das nicht nur wegen der Coronapandemie. Denn mit harten Bandagen wurde der Kampf um ein neues Budget und vor allem um den Steuerfuss geführt. Auch in den Leserbriefspalten.
Der Reihe nach: Es es war vom Ablauf her schon eine Art Krimi, denn bis zum rechtsgültigen Budget der Stadt dauerte es mehr als acht Monate. An der Gemeindeversammlung vom 12. Dezember mit 154 Ja zu 38 Nein zunächst angenommen wurde das Budget und ein Steuerfuss von 97 Prozent noch im alten Jahr. Und auch der Start zur Unterschriftensammlung für ein Referendum gegen den Beschluss erfolgte noch im Jahr 2019.
Regierungsrat hiess die Einsprache gut
Das überparteiliche Komitee gegen den Steuerfuss von 97 Prozent und das Budget 2020 reichte schliesslich am 16. Januar dieses Jahres 396 Sammelbögen mit total 879 Unterschriften bei der Stadtkanzlei ein. Dass damit die nötige Zahl von 790 gültigen Unterschriften erreicht sein dürfte, damit hatte wohl nicht nur das Referendumskomitee gerechnet.
Es kam aber anders: Der Stadtrat Bremgarten verkündete Nichtzustandekommen. Lediglich 779 Unterschriften seien gültig, hiess es aus dem Rathaus. Das knappe Resultat und die Begründung dafür liess das Komitee wiederum nicht auf sich sitzen. Es ging beim Entscheid um eine vermeintliche, aber entscheidende Formalie: Im Bremgarter Rathaus stellte man sich auf den Standpunkt, dass alle Unterschriften auf einem Unterschriftenbogen ungültig sind, wenn die mehreren darauf aufgeführten Namen von einer Person aufgeschrieben wurden (beispielsweise bei einem Ehepaar), die Unterschriften aber von der jeweiligen Person stammten.
Beim Rekursentscheid des Regierungsrates Ende Februar hingegen ging man davon aus, dass auf einem Unterschriftenbogen mindestens eine Unterschrift gültig sein dürfte und nicht von einer Drittperson war – bei 32 Bögen machte dies 32 Unterschriften aus, sodass das Verdikt schliesslich kippte. Und 811 Unterschriften gültig waren, das Quorum erreicht und damit das Referendum zustandegekommen war.
Ein knappes Nein
Die Intervention von Stefan Hausherr sowie Claudio Müller (Präsident SVP Bremgarten) und Ueli Christen vom Komitee mit der Unterstützung des Fürsprechers Urs Oswald war also erfolgreich. Mit dem Zustandekommen wurde klar: Es geht an die Urne. Und nun beteiligte sich auch die FDP Bremgarten hochoffiziell an der Seite des überparteilichen Komitees mit der SVP am Kampf gegen die Steuerfusserhöhung. Der geplante Urnengang vom 11. Mai wurde aber aufgrund der Coronapandemie verschoben. Es war schliesslich schon Ende Juni, bis die Bremgarter zur kommunalen Urnenabstimmung schreiten konnten. Und dort unterstützte das Stimmvolk – wenn auch nur knapp – den Standpunkt des Referendumskomitees und schickte den umstrittenen, vom Stadtrat beantragten höheren Steuerfuss von 97 Prozent und das Budget mit 983 Nein zu 937 Ja bachab. Der Stadtrat Bremgarten anerkannte dieses Verdikt und beantragte schliesslich für die ausserordentliche «Gmeind» vom 20. August die vom Komitee angepeilten 94 Prozent bei einem angepassten Budget 2020. Mit 116 Ja zu 3 Nein war das Resultat entsprechend klar. Und das Ende der budgetlosen Zeit in Sicht.
Es werden wohl mehrere Erkenntnisse im Städtli nach diesen Monaten der etwas härteren politischen Auseinandersetzung bleiben, das hat das erst kürzliche Nein zu einer Teilzonenänderung gezeigt: Nicht jede Vorlage, die der Stadtrat traktandiert, ist mehrheitsfähig. Die Tonart ist härter geworden und nicht immer viel sachlicher. Die Parteipolitik in Bremgarten scheint nichts an ihrer Bedeutung verloren zu haben, eher im Gegenteil. Kein Wunder: Im Herbst wird auf kommunaler Ebene wieder gewählt.