Mit gemischten Gefühlen
13.11.2020 BremgartenSperrstunde, Maskenpflicht, weniger Plätze: Bremgarter Bar-Szene vor dem Coronawinter
Die Bremgarter Gastronomen sind Kämpfer. Sie halten ihren Betrieb aufrecht – trotz einschneidender Massnahmen.
André ...
Sperrstunde, Maskenpflicht, weniger Plätze: Bremgarter Bar-Szene vor dem Coronawinter
Die Bremgarter Gastronomen sind Kämpfer. Sie halten ihren Betrieb aufrecht – trotz einschneidender Massnahmen.
André Widmer
«Wir wollen eine gute Zeit bieten können», sagt Alice Anderegg von der Sportsbar zum schwarzen Schaf. Sie und ihre Mitstreiter in den anderen Lokalen in Bremgarten sind nach dem insbesondere auch für Gastrobetriebe harten Lockdown im Frühling und nach einem erfreulichen Sommer nun in die kühlere Jahreszeit gestartet. Und in Monate, die für Clubs, Bars und Restaurants hart werden. Diskotheken und Tanzlokale mussten auf den 29. Oktober schliessen. Für Bars und Restaurants gilt seitdem die Sperrstunde ab 23 Uhr. Alice Anderegg hat eine klare Meinung dazu: «Das ist sinnfrei. Die Leute konsumieren früher, der Konsum geht steil bergauf.» Die Gefahr, dass unkontrolliert zu Hause weitergefeiert und Party gemacht wird, steigt so, betont sie.
Hanspeter Ott vom «Hardy’s» beobachtet, dass sich einige Leute noch nicht an die Sperrstunde gewöhnt haben. Den Betrieb hat er angepasst. Das «Hardy’s» hat tagsüber den Mittagsservice, schliesst am Nachmittag und öffnet wieder um 17.30 Uhr. «Wir müssen die Kosten runterfahren», so Ott. Er vermutet, dass der Bund einen zweiten Lockdown verhindern will. «Sonst muss er sie nämlich zahlen. So ist er fein raus.»
Schwieriger Winter steht bevor
Bremgarter Bar-Szene leidet unter den Coronamassnahmen – und kämpft trotzdem weiter
Seit Ende Oktober gilt in der Gastronomie die Sperrstunde ab 23 Uhr. Eine weitere erschwerende Coronamassnahme, auch für Bar- und Pubbetriebe im Städtli.
André Widmer
Es sind gemischte Gefühle, die Alice Anderegg und Jacques Sauter derzeit haben. Da ist die grosse Dankbarkeit der beiden Betreiber der «Sportsbar zum schwarzen Schaf» gegenüber dem Vermieter, den Lieferanten, dem treuen Stammpublikum und nicht zuletzt dem Staat wegen der Kurzarbeitsregelung. Sie alle halfen mit, dass der an der Sternengasse befindliche Gastrobetrieb die letzten Monate mit wenig Schaden überstehen konnte. Es war aber keine einfache Zeit mit dem Lockdown im Frühjahr und dem Kampf zurück mit der Umsetzung der Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. «Es ist ein Glück, dass wir auch eine sehr gute Anfangszeit hatten», sagt Alice Anderegg, die seit Juni 2019 hier verantwortlich zeichnet.
Heizpilze sind keine Option
Jetzt, im November 2020, schauen Anderegg und Sauter aber in eine ungewisse Zukunft. Die Einführung der Sperrstunde ab 23 Uhr, die mit den letzten Beschlüssen des Bundesrates kam, ist hartes Brot für die Bar- und Pubbetreiber. Diese Regelung sieht Alice Anderegg sehr skeptisch. «Das ist sinnfrei. Die Leute konsumieren früher, der Konsum geht steil bergauf.» Sie ist überzeugt, dass viele Leute dann später unkontrolliert zu Hause weiterfeiern würden. Sie vermutet, dass diese Sperrstundenregelung einer gewissen Ratlosigkeit der Behörden entspringt. «Ausgerechnet am Wochenende», ergänzt Jacques Sauter. Die Sportsbar hat auf die Sperrstunde reagiert: Am Samstag hat man nun bereits ab 14 Uhr geöffnet. Auch wenn die Stadt Bremgarten eine Bewirtschaftung auf der Gasse explizit unterstützt, für die Sportsbar ist das keine Option. «Man müsste Heizpilze aufstellen, der Aufwand ist zu gross.» Finanziell würde man sich zu weit aus dem Fenster lehnen mit einer solchen Investition, so Sauter.
Die Bar kann derzeit nur 24 von 50 möglichen Gästeplätzen anbieten, Anlässe werden keine durchgeführt. Es herrscht Sitzpflicht. Ob es zu weiteren Verschärfungen kommt, das ist wie ein Blick in die Glaskugel. «Wir sitzen auf Nadeln und es ist massiv zermürbend», sagt Anderegg. Die Perspektiven sind schwierig einzuschätzen. Sie gibt auch zu bedenken, dass Einschränkungen einen ganzen Rattenschwanz an wirtschaftlichen Auswirkungen mit sich bringen, der diverse Branchen hart treffe. «Ein zweiter Lockdown und der Staat hilft nicht, dann ist fertig. So wie jetzt geht es zwar, aber man hat das Messer am Hals», so Alice Anderegg. Dennoch, jammern wolle sie nicht. «Wir wollen eine gute Zeit bieten können.»
«Schnauf, durchzuhalten»
Kurt Marty, der Pächter des «Bahnhöfli» in Bremgarten, betreibt auch «Hollywood Bar & Café». Ein Vorteil für seinen Betrieb ist, dass er im Innenbereich über eine angemessen grosse Fläche verfügt. «Ich habe Schnauf, durchzuhalten», sagt er. Denn er ist Eigentümer der Liegenschaft, in der sich der Barbetrieb an der Marktgasse befindet. «Wenn ich Pächter wäre, dann wäre es eine Katastrophe.» Dennoch musste auch er reagieren und hat die Öffnungszeiten der Nachfrage entsprechend angepasst. Das «Hollywood» hat derzeit von Donnerstag bis Samstag geöffnet, Sonntag bis Mittwoch ist das Lokal jetzt geschlossen. «Man verliert viel weniger, wenn man zu hat», stellt er nüchtern fest. Ganz allgemein würde in Bremgarten nun auch zusehends die potenzielle Kundschaft der Soldaten im Ausgang fehlen – ein Problem, das auch ohne Corona schon besteht. Den Personalbestand zu verkleinern, kommt für Kurt Marty jetzt nicht infrage. «Wenn man jetzt jemandem kündigt, stellt sie niemand ein», gibt er zu bedenken.
Auch im «Hollywood» fällt der Eventbereich momentan ins Wasser. Einen DJ engagieren, eine Samichlausparty organisieren ist derzeit eben Fehlanzeige, lässt der Chef verstehen. Längerfristig überlegt sich Kurt Marty so oder so eine Konzeptänderung für das «Hollywood», denn es werde jetzt schon seit 28 Jahren im gleichen Stil geführt.
Ein guter Sommer
Die erste Welle hat das «Hardy’s» an der Bremgarter Marktgasse überstanden, lässt Pächter und Wirt Hanspeter Ott verstehen. Als sich der Lockdown abzeichnete, hatte er – bereits im Februar – die Bestellungen gedrosselt. «Ich konnte so die Rechnungen bezahlen», erklärt Ott. Natürlich wurde auch Kurzarbeit angemeldet. Zudem hatte er eine Epidemieversicherung abgeschlossen. Allerdings wartet Ott noch auf deren Schlussabrechnung. Was er aber jetzt schon weiss und ihn ärgert: In der neuen Police hat die Versicherung den Epidemie-Schadenfall von der Deckung ausgenommen. Immerhin sei der Sommer gut gelaufen, man habe auch von den vielen Passanten profitiert, die in den Ferien in der Schweiz blieben. «Wir hatten viel mehr Frequenzen an schönen Tagen.»
«Die Kosten runterfahren»
Das «Hardy’s», das Ott früher als Geschäftsführer einer Kette betrieb und jetzt als Selbstständiger, bietet Mittagsmenüs an, schliesst danach und öffnet ab 17.30 Uhr wieder als Pubbetrieb. «Wir müssen die Kosten herunterfahren.» Die Umsatzeinbussen dürften rund 50 Prozent betragen, erklärt er. Bezüglich der Sperrstunde ab 23 Uhr gibt er zu bedenken, dass sich gewisse Leute noch nicht daran gewöhnt hätten und trotzdem erst um 21.30 Uhr in den Ausgang gingen. Das sei dann problematisch, wenn man schon um 22.15 Uhr die letzte Runde einläuten müsse. Was, wenn es einen zweiten Lockdown gibt? «Der Bund versucht einen Lockdown zu verhindern. Sonst muss er nämlich zahlen. So aber ist er fein raus.» Ott findet es schade, dass der Bundesrat nicht das Schutzkonzept vom Sommer belassen hat. «Mit der Sperrstunde von 23 Uhr können wir einigermassen leben, aber die Vierpersonenbeschränkung pro Tisch wird noch einigen Betrieben den Kopf kosten.» Und der grösste Unsinn sei die Unterstützung für jene, die mindestens 55 Prozent Umsatzrückgang verzeichnen. Ungut für jene, die sich Mühe gäben.
Gastrobetriebe auf Sparflamme – ein zweischneidiges Schwert. Und eine Situation mit ungewissem Ausgang, je länger die aktuelle Lage anhält. Es steht ein schwieriger Winter bevor.