Das halbe Dorf kaufte hier ein
31.07.2020 Region BremgartenSommerserie «Auf den Punkt»: Maria und Werner Gerber mit ihrem rosa Wohnhaus in Zufikon
Das Haus von Maria und Werner Gerber steht im alten Dorfteil von Zufikon. Es hat bereits manchen Besitzer gewechselt. Im heutigen Wohnzimmer kaufte einst das halbe Dorf seine ...
Sommerserie «Auf den Punkt»: Maria und Werner Gerber mit ihrem rosa Wohnhaus in Zufikon
Das Haus von Maria und Werner Gerber steht im alten Dorfteil von Zufikon. Es hat bereits manchen Besitzer gewechselt. Im heutigen Wohnzimmer kaufte einst das halbe Dorf seine Lebensmittel ein. Das Ehepaar Gerber lebt hier seit 1990. Es möchte hier alt werden.
Roger Wetli
Der Pfeil der Redaktion landet im Vorgarten der Liegenschaft Oberdorfstrasse 5 in Zufikon. Hier wohnen seit exakt 30 Jahren Maria und Werner Gerber. «Wir sind am 1. August eingezogen. Das war damals noch kein obligatorischer Feiertag», erinnert sich Maria Gerber. Das Haus steht gegenüber einem alten Feuerwehrhäuschen und neben einer Scheune. Seine Fassade ist rosa gestrichen. Garten und Hausform wirken repräsentativ, ohne dabei aufdringlich oder protzig zu sein.
Grundmauern aus dem 16. Jahrhundert
Für das Gespräch haben die Gerbers extra ihre Nachbarin Ida Keller eingeladen. Sie ist in Zufikon aufgewachsen und wohnte als Haushälterin von 1955 bis 1960 hier bei der Familie Kaufmann. Danach heiratete sie einen Nachbarn und ist in der unmittelbaren Umgebung geblieben. «Herr Kaufmann arbeitete damals in einer Firma in Bremgarten», blickt Ida Keller zurück. «Seine Frau verkaufte in diesem Haus als Nebeneinkommen Lebensmittel und Getränke. Eine Selbstbedienung gab es nicht. Das halbe Dorf kaufte hier ein. Ein zweiter kleiner Laden stand neben dem heutigen Feuerwehrgebäude.»
Ida Keller unterstützte die Familie, die bei ihrem Arbeitsstart vier Kinder im Alter zwischen vier Jahren und acht Wochen hatte. «Später kam noch der heutige Vizeammann Karl Kaufmann auf die Welt.» Hinter dem Haus gab es einen grossen Gemüsegarten.
Wie alt das Haus ist, weiss Ida Keller nicht. «Die Kaufmanns erwarben es von einer Familie Heimgartner. Später gehörte es dem Coop, der es einer Familie Pröschel verkaufte.» Letztere lebten hier mit ihren vier Kindern. Auf einer der Holzdecken im Wohnzimmer hat sich diese mit dem Spruch verewigt: «Auf den Mauern einer Remise aus dem 16. Jahrhundert gebaut von Alfred und Dora Pröschel mit Kindern Michaela Thomas Andrea Christine Anno Domini 1979 bis 1981.» Maria und Werner Gerber hören ihrer Nachbarin aufmerksam zu.
Sie staunen über die Geschichte ihrer Liegenschaft. Sie wussten bisher, dass Alfred Pröschel ein Gartenbauer war, der dem Haus die heutige Raumeinteilung und den barocken Vorgarten verschaffte. «Die Küche ist allerdings immer noch am selben Ort wie in den 1950er-Jahren», ergänzt Ida Keller.
Traum erfüllt
Seit Maria und Werner Gerber 1990 das Haus den Pröschels abgekauft hatten, modernisierten sie die Liegenschaft nach und nach, änderten aber nichts mehr an der Raumeinteilung. Das Paar ist unüberhörbar in der Ostschweiz aufgewachsen, wo immer noch seine ganze Verwandtschaft wohnt. «Ich fing 1985 in Birmensdorf in der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL an zu arbeiten», erzählt Werner Gerber. «Zunächst wohnten wir fünf Jahre lang in Islisberg.»
Das Paar zog drei Kinder gross. «Dort oben mussten wir die Kinder für alles umherfahren», so Maria Gerber. «Also haben wir nach Wohneigentum an einem günstigeren Standort gesucht. Ich wollte schon immer in einem Haus mit rosa Fassade wohnen, vor dem ein grosser Baum wächst. Dieser Traum ging in Erfüllung.» Zudem sollte es ein Ort sein, an dem die Familie nur ein einziges Auto benötigt. «Zufikon kam mir nach Islisberg wie Ferien vor. Die Kinder konnten alles selbstständig erledigen.»
Mit dem Haus kamen auch gleich ein paar Haustiere ihrer Vorgänger in den Besitz der Gerbers. «Wir übernahmen eine Katze, Nymphensittiche und Kanarienvögel», lacht Maria Gerber. «Wir kauften dann zusätzlich noch Hasen.» Für die Kinder sei das Haus mit dem grossen Garten ideal gewesen. Noch heute kommen diese gerne zurück in ihre Heimat. «Spannend finden wir, dass zwei davon heute in der Ostschweiz leben. Sie dürfen bei uns jederzeit übernachten», so Maria Gerber.
Steinschlag-Experte der WSL
Zum barocken Garten fügte das Paar Palmen aus dem Tessin hinzu. Diese verleihen der Liegenschaft einen Hauch von südeuropäischer Atmosphäre. Beim alten Eingang zum ehemaligen Dorfladen steht ein abgeschnittener Baumstamm, in dem zwei grössere Steine stecken. «Er wurde lange in der WSL ausgestellt. Als diese ihn nicht mehr wollte, übernahm ich ihn», erklärt Werner Gerber.
Er ging im letzten Herbst in Pension. Der Baumstamm erinnert ihn an seine Arbeit bei der WSL «Ich untersuchte, welche Energien bei einem Steinschlag freigesetzt werden, und leitete daraus geeignete Schutzmassnahmen ab.» Er testete verschiedene Schutznetze in der Versuchsanlage Walenstadt und erarbeitete die dazu notwendigen Richtlinien. Als anerkannter Experte in diesem Fachgebiet nahm er an zahlreichen internationalen Konferenzen teil. «Als die Kinder grösser waren, begleitete ich ihn manchmal», so Maria Gerber. «Danach hängten wir meistens noch ein paar Tage an.»
Seit diesem Frühling ist auch sie pensioniert. «Wir geniessen die gemeinsame Zeit und gehen oft wandern oder Rad fahren. Hier in diesem Haus möchten wir alt werden. Es ist ein sehr schönes Plätzchen», schwärmt das Paar.