Chregi Hansen, Redaktor.
Es ist jetzt genau 10 Tage her, dass ich die Maturfeier an der Kanti Wohlen besucht habe. Und zufällig mitbekam, dass einer der Abgänger «Internationale Beziehungen» studieren will. Wow, dachte ich, so jung ...
Chregi Hansen, Redaktor.
Es ist jetzt genau 10 Tage her, dass ich die Maturfeier an der Kanti Wohlen besucht habe. Und zufällig mitbekam, dass einer der Abgänger «Internationale Beziehungen» studieren will. Wow, dachte ich, so jung und schon so zielgerichtet. Als ich damals die Kantonsschule verliess, hatte ich keine Ahnung, was ich wollte. Ich wusste nur, was ich nicht will: Studieren. Also begann ich nach der Matur als Hilfsarbeiter zu jobben. Eine Zeit, in der ich mehr fürs Leben gelernt habe als in allen Schulstunden zusammen.
35 Jahre ist das inzwischen her. Damals lag das Leben noch vor mir. Pläne hatte ich keine. Familie gründen, Haus kaufen, fürs Alter sparen – alles keine Themen. Frei wollte ich sein, möglichst ungebunden. Bereit für das grosse Abenteuer, das sicher irgendwo auf mich wartet. Es ging mir gar nicht darum, die Welt zu bereisen oder hohe Gipfel zu erklimmen. Das Leben sollte einfach anders sein als das, was wir vorgelebt bekamen. Weniger spiessig. Weniger bürgerlich. Weniger provinziell. Weniger – die Älteren mögen entschuldigen – langweilig.
Und nun? Genau heute in 10 Jahren gehe ich, falls sich nicht noch alles ändert, in den Ruhestand. Die Familie ist längst gegründet, die Kinder erwachsen. Das Haus ist gekauft. Und mittlerweile diskutiere ich mit Freunden, wie man am besten fürs Alter vorsorgt. Ob es sich lohnt, mehr in die dritte Säule einzuzahlen. Und die grosse Freiheit? Das grosse Abenteuer? Nun ja, ich habe als Wohler zwischendurch einige Jahre in Villmergen gelebt. Ich glaube aber nicht, dass ich das gemeint hatte damals. Längst bin ich wieder zurück im Ort meiner Kindheit. Und muss zugeben, dass die Provinz durchaus Vorteile hat.
Seit 35 Jahren gehe ich also tagtäglich zur Arbeit. Weitere zehn werden noch folgen. Und dann? Folgt dann das grosse Abenteuer? Die grosse Freiheit? Viele Menschen planen schon weit im Voraus, was sie nach ihrer Pension noch alles erleben wollen. Ich halte es da eher wie zur Kantizeit: Ich warte einfach ab, was das Leben noch für mich bereithält. Wer weiss, vielleicht gehe ich doch noch studieren. Dann hätte die Matur letztlich Sinn gemacht. Es müsste ja nicht «Internationale Beziehungen» sein.