«Wir sind extrem privilegiert»
12.05.2020 LaufsportEin Blick in die Freiämter Laufsport-Szene während Corona
Die Läufer sind in Zeiten von Corona von allen Sportlern am wenigsten mit Einschränkungen konfrontiert. Auch ihnen fehlen allerdings die Wettkämpfe. Ein Blick in die Läufer-Szene im ...
Ein Blick in die Freiämter Laufsport-Szene während Corona
Die Läufer sind in Zeiten von Corona von allen Sportlern am wenigsten mit Einschränkungen konfrontiert. Auch ihnen fehlen allerdings die Wettkämpfe. Ein Blick in die Läufer-Szene im Freiamt zeigt, dass die heterogene Gruppe der Läufer teilweise ganz unterschiedlich mit der Situation umgeht.
Josip Lasic
Claude Denier aus Rottenschwil ist Sportler durch und durch. Der Freiämter ist sowohl Mitglied der LR Wohlen als auch der Läuferververeinigung Freiamt in Muri. Der 34-Jährige bestreitet jährlich nicht nur diverse Läufe, er startet auch häufig im Triathlon.
Aktuell gibt es durch das Coronavirus jedoch weder Läufe noch Triathlon-Wettkämpfe zu bestreiten. Das nagt ein wenig an Denier. «Ich bin nicht wirklich motiviert zum Trainieren», sagt er. «Einerseits finden keine offiziellen Trainings statt und andererseits keine Wettkämpfe, auf die man hintrainieren kann.» Oft konnte man Denier auch im Doppelpack mit seinem Vater Richard «Richi» Denier an Wettkämpfen sehen. Dieser feiert dieses Jahr seinen 66. Geburtstag und gehört damit zur Corona-Risikogruppe. «Ich mache mir nicht allzu grosse Sorgen», sagt Claude Denier. Gemeinsam mit seinem Vater trainiert er allerdings nicht. «Wenn, dann geht er alleine Velo fahren oder laufen.»
In den letzten Wochen war das auch die sportliche Hauptbeschäftigung des Rottenschwilers. Schwimmen kam für den Triathleten zu kurz, da öffentliche Bäder geschlossen hatten. Erst in der vergangenen Woche trainierte er seit Längerem im Wasser. Er war in der Reuss schwimmen. Obwohl er Zeit zum Trainieren hat und das Laufen nicht eingeschränkt ist, geht der Freiämter davon aus, dass er mit Trainingsrückstand starten wird, wenn die Wettkämpfe wieder losgehen. Primär wegen seinem Motivationsmangel.
Glücklicherweise Laufsportlerin
Während Claude Denier etwas mit seiner Motivation kämpft, ist Stefica Gajic heilfroh, dass sie Laufsport betreibt. Die 71-Jährige ist zwar für ihr Alter topfit, gehört aber altersbedingt dennoch zur Corona-Risikogruppe. Die Eggenwilerin, die Mitglied der Wohler Läuferriege ist, nimmt die Situation rund um das Virus sehr ernst.
Sie und ihr Mann Vukasin schützen sich, so gut es geht. Einer von ihnen beiden geht einmal alle zwei Wochen einkaufen. Ansonsten ziehen sie das «Social Distancing» konsequent durch. «Es haben nicht alle Freunde und Bekannte Verständnis», erzählt Stefica Gajic. «Kontakt gibt es bei uns aber nur telefonisch oder per Whatsapp. Wir wollen nicht an diesem Virus erkranken.»
Umso glücklicher ist die Eggenwilerin, dass sie ohne Einschränkungen ihrer Sportart nachgehen kann. «Zum Glück dürfen wir rausgehen und laufen. In Eggenwil habe ich zudem den Luxus, nicht auf die Strasse zu müssen. Ich kann direkt in den Wald und ungestört für mich trainieren.» Ihr Laufpensum ist nicht geringer als vorher. Die Wettkämpfe fehlen ihr nicht. «Die werden früh genug wieder kommen. Dann können wir diese geniessen. Jetzt ist es wichtig, gemeinsam die Situation durchzustehen. Wenn ich gerade nicht laufen kann, schaue ich, dass ich es mir zu Hause so schön wie möglich machen kann.»
Fragezeichen hinter Iron Man
Dominique Meier und Anja Schwegler aus Wohlen sind ein Läufer-Pärchen. Schwegler, die ursprünglich aus Niederwil stammt und in Widen unterrichtet, ist Mitglied der LR Wohlen. Meier ist nicht nur Läufer, sondern wie Claude Denier auch Triathlet. «Wir sind extrem privilegiert, weil wir keine Einschränkungen gespürt haben», sagt Meier. «Da wir zusammen wohnen, war es auch kein Problem, gemeinsam trainieren zu gehen. Wir würden auch sonst nicht in viel grösseren Gruppen laufen gehen.»
Die 29-jährige Schwegler unterrichtete bis gestern Montag von zu Hause aus. Der 28-jährige Meier arbeitet normalerweise in Bern. Die letzten Wochen war er im Homeoffice. Die beiden hatten dadurch mehr Zeit zum Trainieren. Motivationsprobleme hatten sie dabei keine. «Wir brauchen nicht zwingend Wettkämpfe, um uns zu motivieren. Es gibt Athleten, die Wettkämpfe als Massstab brauchen, um zu sehen, ob sie besser geworden sind. Ich habe ein Trainingsprogramm, anhand dessen ich das sehe.»
Triathlet Meier hat letzte Woche im Türlersee bei Affoltern am Albis die ersten Schwimmeinheiten absolviert. «Der ist wärmer als der Hallwilersee im Moment», sagt er lachend. Er hätte theoretisch ein grosses Ziel – den Ironman World Championship auf Hawaii im Oktober. Es ist allerdings unklar, ob dieser wegen Corona stattfinden kann. Eine Verschiebung in den Februar ist eine Variante. Meier ist einer von bisher rund 1000 qualifizierten Läufern. «Wenn es keine befriedigende Lösung gibt, starte ich nicht», sagt er. Denn offenbar ist eine Option, dass die restlichen 1500 Plätze verkauft werden, da auch die Qualifikationsevents teilweise ausfallen. «Das hat für mich nicht mehr den Flair eines Wettkampfs der Besten. Dafür muss ich nicht um die halbe Welt fliegen.» Meier war 2018 bereits Finisher auf Hawaii und traut sich zu, sich nächstes Jahr erneut zu qualifizieren. Deshalb nimmt er die Situation sportlich.
Das nächste provisorische Ziel für Meier und Schwegler ist der Murtenlauf im Oktober, sofern der stattfindet. «Da Anja Mitglied der LR Wohlen ist, starten wir vielleicht auch am One Million Run (siehe Box). Für die LR machen wir das gern.»
Pfingstlauf mal anders
Am 30. Mai hätte der 54. Pfingstlauf Wohlen stattfinden sollen. Wegen des Coronavirus wurde dieser abgesagt. Am Pfingstwochenende geht dafür der One Million Run über die Bühne. Läuferinnen und Läufer aus der ganzen Schweiz nehmen daran teil. Alle laufen individuell, unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsvorgaben. Über eine App kann man sich allerdings anmelden, sodass die Strecke und die Zeit registriert werden. Ziel ist es, innerhalb von 48 Stunden 1 Million Kilometer zu sammeln. Die Strecke kann man laufend, walkend, wandernd oder mit dem Bike zurücklegen. Susi Kohler, OK-Präsidentin des Pfingstlaufs Wohlen, sagt, dass die LR Wohlen diesen Anlass unterstützt, da er am gleichen Tag stattfindet, an dem der Pfingstlauf ausgetragen worden wäre. Es besteht auch die Möglichkeit, die Pfingstlaufstrecke zu laufen. Bis jetzt haben sich 15 000 Personen angemeldet, um mitzumachen. Die definitive Anmeldung startet ab dem 15. Mai. --jl