Unabhängig von Firmen
26.05.2020 KüntenDas Dorf wird mittelfristig seinen grössten Betrieb verlieren
Die Taracell AG ist die letzte grössere Firma in Künten. Sie fndet im Dorf keinen Platz für ihre Weiterentwicklung und möchte wegziehen. Für die Gemeinde ist das bedauerlich, ...
Das Dorf wird mittelfristig seinen grössten Betrieb verlieren
Die Taracell AG ist die letzte grössere Firma in Künten. Sie fndet im Dorf keinen Platz für ihre Weiterentwicklung und möchte wegziehen. Für die Gemeinde ist das bedauerlich, eröffnet aber auch Chancen.
Roger Wetli
Eine lange Tradition hat die Taracell AG. Bis 1898 geht ihre Geschichte zurück. Im letzten Jahr wollte sie ein Stück Land in Niederwil einzonen, um dort ihre Produktionsabläufe komplett zu erneuern. Dieses Vorhaben wurde aber durch das dortige Stimmvolk abgelehnt.
Auch Chance für das Dorf
Der Künter Gemeindeammann Werner Fischer weiss schon seit längerer Zeit von den Problemen der Firma. «Wir haben nach Lösungen gesucht, im eigenen Dorf aber keine gefunden», bedauert er. Der heutige Standort ist von Wohnhäusern umgeben. Produktion und Lager trennt eine Quartierstrasse. Eine ideale Fläche, die den Bedürfnissen der Taracell AG entspricht, gibt es in Künten zurzeit nicht. Trotzdem sieht der Gemeindeammann auch Chancen in einem Wegzug. «Es würden wohl Wohnungen gebaut.»
Kleiner Steueranteil der Firmen
Jeder Arbeitsplatz, der in seinem Dorf verloren gehe, sei schade. Rein steuertechnisch würden die Firmen mit einem Gesamtanteil von fünf bis zehn Prozent aber eher wenig ins Gewicht fallen. Ein Wegzug der Taracell AG sei deshalb für Künten steuerlich verkraftbar. Werner Fischer freut sich, dass es auf einem Nachbargelände der Taracell AG viel Kleingewerbe gibt. «Unsere Gemeinde ist deshalb von den Einnahmen nicht auf eine einzelne Firma angewiesen.» Zumal der Geschäftsverlauf Schwankungen unterworfen sei.
Künten sei ein Dorf mit sehr hoher Wohnqualität. «Das ist eine Stärke, auf die wir stolz sein dürfen», ist der Ammann überzeugt.
Kein «Klumpenrisiko»
Grössere Unternehmen haben es im Dorf schwer, Platz zu finden
Die Birchmeier AG in den 90er-Jahren, später die Reap AG und in absehbarer Zeit die Taracell AG: Aus Künten ziehen die grösseren Firmen weg. Gemeindeammann Werner Fischer hat Verständnis dafür und sieht darin Chancen für die Gemeinde.
Roger Wetli
Ein Sprung über die Reuss: In Niederwil lehnten die Stimmbürger im letzten November eine Umzonung einer Fläche ab, auf der die Taracell AG aus Künten ihre Büro- und Produktionsgebäude bauen wollte. Es ist nicht die erste grössere Firma, die aus Künten wegziehen will. Bereits vor ihr taten es die Birchmeier AG und die Reap AG. «Von den Plänen der Taracell AG wissen wir bereits sehr lange», erklärt der Künter Gemeindeammann Werner Fischer. «Vor etwa zehn Jahren haben wir intensiv versucht zu helfen.»
Schwieriger Standort
Die Geschichte der Firma reicht bis 1898 zurück. Seither wurde der jetzige Standort in Künten immer wieder umgebaut und erweitert. Entsprechend verschachtelt sind die Gebäude. Heute bednden sich das Lager und die Produktion durch eine Strasse getrennt mitten in einem Wohnquartier. «Selbst bei einem kompletten Abriss und Neubau der Gebäude könnten die Abläufe in Künten nicht optimal gestaltet werden», weiss der Gemeindeammann und betont, dass die Eigentümer der Taracell AG sehr gerne in Künten bleiben würden. «Dafür würde sie aber eine waagrechte Fläche ausserhalb der Wohnzone benötigen, auf der sie ein einziges Gebäude bauen könnte. Und diese können wir aufgrund der Topograle des Dorfes nicht bieten.»
Nicht nur Nachteile
Nördlich des Kreisels gebe es so eine Fläche. Diese befndet sich aber in der Landwirtschaftszone. Auch Sulz käme theoretisch infrage. «Aber auch dort ist es nicht möglich. Einerseits wäre die Erschliessung einer solchen Firma nicht optimal, sie würde überhaupt nicht ins Landschaftsbild und in die Naherholungszone passen», so Fischer. Dazu komme das Reussuferschutzdekret. «Rein topograasch fehlen uns also die Flächen für ein Unternehmen mit zwischen 50 und 100 Mitarbeitern. Dagegen macht der Gewerbepark in den ehemaligen Gebäuden der Birchmeier AG Sinn. Dort wirken zahlreiche kleine Unternehmungen.»
Werner Fischer sieht in dieser Situation nicht nur Nachteile: «Durch die vielen unterschiedlichen Betriebe verfügen wir über ein nur kleines Klumpenrisiko, was die Einnahmen durch Unternehmenssteuern betrifft. Wir sind damit unabhängiger vom Geschäftsgang einer grossen Firma.»
Die Taracell AG befndet sich in einer Wohn- und Gewerbezone. Sollte die Firma einmal ausziehen, werde der Fokus auf dieser Fläche wohl eher auf das Wohnen mit wenig Kleingewerbe gelegt, vermutet der Gemeindeammann.
Jede Wohnung ein Arbeitsort
Die gesamten Steuereinnahmen aller Firmen machen in Künten zwischen fünf und zehn Prozent aus. «Ein Wegzug der Taracell AG wäre darum bedauerlich, aber steuerlich verkraftbar. Bei einer Umnutzung könnte dieser Steuerausfall durch natürliche Personen gut kompensiert werden», erklärt Werner Fischer.
Er betont die Wichtigkeit des Gewerbes in Künten. Gleichzeitig weiss er, dass die Stärke des Dorfes woanders liegt. «Wir verfügen über eine sehr gute Wohnqualität, die sich der Mittelstand noch leisten kann. Wir sind schnell an der Reuss und auf dem Heitersberg. Es fühlt sich teilweise wie in den Ferien an.» Gerade jetzt im Lockdown habe sich diese Eigenschaft von Künten manifestiert. Er hätte gerne mehr Arbeitsplätze im Dorf. «Aber wer weiss, mit vermehrtem Homeoffce wird jetzt jede Wohnung zum potenziellen Arbeitsort», schaut Werner Fischer voraus. «Diese Entwicklung wird spannend. Zumal das auch zu einer Entlastung des Verkehrs führen könnte.»
Örtliches Gewerbe berücksichtigen
Der Ammann sieht es nicht als Aufgabe der Gemeinde, Gewerbegebäude zu erstellen und zu vermieten. «Unsere Rolle liegt im planerischen Bereich. Bei der Nutzungsplanungsrevision haben wir das Gewerbe nach seinen Bedürfnissen gefragt. Aus den Wünschen wurde nichts Konkretes. Es standen aber bereits damals für mittelgrosse Firmen keine grösseren, ebenen und erschlossenen Flächen zur Disposition.»
Er sei um jedes Unternehmen froh, das sich in Künten ansiedelt. «Wir machen uns aber keine Illusionen. Eine Situation wie in Rotkreuz, wo in den letzten Jahren Firmen wie die Roche AG und Porsche viel gebaut haben, wird es bei uns nicht geben.» Lokale, örtliche Kleingewerbe hätten die besten Chancen, wenn ihre Angebote von den Anwohnern genutzt und berücksichtigt werden.