100 Jahre Elektra Eggenwil
29.11.2019 EggenwilEin Jahrhundert alt wird die Elektra Eggenwil in diesen Tagen. Das erste Reglement ist mit 30. November 1919 datiert. Die Reussgemeinde folgte mit der Gründung ihres eigenen Elektrizitätsbetriebes umliegenden Dörfern. Zuvor gab es in Eggenwil heftige Diskussionen. Strom wurde vor ...
Ein Jahrhundert alt wird die Elektra Eggenwil in diesen Tagen. Das erste Reglement ist mit 30. November 1919 datiert. Die Reussgemeinde folgte mit der Gründung ihres eigenen Elektrizitätsbetriebes umliegenden Dörfern. Zuvor gab es in Eggenwil heftige Diskussionen. Strom wurde vor allem für die Beleuchtung benötigt. --rwi
«Doch so w ichtige Sache»
Vor 100 Jahren wurde die Elektra Eggenwil gegründet
Vor einer Woche genehmigte die «Gmeind» das neue Reglement der Elektra Eggenwil. Es ist das fünfte in deren Geschichte. Das erste ist datiert vom 30. November 1919. Strom gab es aber bereits vorher in der Reussgemeinde.
Roger Wetli
«Der erste Plan mit einer Hochspannungsleitung um das Dorf stammt vom 7. März 1914», erklärt Gemeindeschreiber Walter Bürgi. «Spätestens ab 1916 hat in Eggenwil eine Lampe gebrannt, eventuell aber auch bereits vorher.» Die Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung mit Strom gehörte nicht der Einwohnergemeinde. Einzelne Bürger bemühten sich aber um den Kauf der Leitungen und Stromverteiler. Sie stiessen zuerst auf wenig Verständnis. Ernsthaft wurde das Anliegen ab Anfang 1919 verfolgt.
Im Vorwort des Protokolls der Elektra Eggenwil steht geschrieben: «Anlässlich einer Gemeindeversammlung referierte Gemeindeschreiber Bueni in kurzen, schlichten Worten über deses Thema. Er nannte Nachbargemeinden, die uns schon längst in dieser Sache vorausgegangen seien – und zwar mit bestem Erfolg.» Auch den Konflikt innerhalb der Einwohner beschreibt der Protokollführer. «Die lebhaften Diskussionen zeigten aber, dass man teilweise herzlich wenig Verständnis hat für diese doch so wichtige Sache.»
Strom für Beleuchtung
Trotzdem setzten sich «einige fortschrittlich denkende Männer» mit ihrem Anliegen durch. Eine Kommission wurde gewählt und als Berater ein Grossrat Huber aus Hägglingen hinzugezogen. An der Gemeindeversammlung vom 10. September 1919 wurde der Gründung der Elektra Eggenwil zugestimmt. Bereits am 23. Oktober nahm die Gemeinde ein Darlehen von 16 000 Franken auf, mit dem sie am 27. Oktober das Stromnetz mit sämtlichen Anlagen für 15 205.50 Franken kaufte. Knapp einen Monat später wurde das Reglement genehmigt.
Dieses gibt bis heute einen Einblick, wofür vor 100 Jahren Strom gebraucht wurde. Da es noch keine Zähler gab, wurde jährlich pauschal nach Gerät und Ort abgerechnet. Sehr detailliert sind die Tarife für die Beleuchtung aufgelistet. So zahlten die Eggenwiler zum Beispiel für die Lampen pro Wohnstube 12.50 Franken, für Abortlampen 4 Franken oder für solche in Schlafzimmern 6 Franken. «Die russfreie Beleuchtung stand damals bei der Stromversorgung im Vordergrund. Geheizt und gekocht wurde wohl noch meist mit Holz», mutmasst Frank Bonnemeier, der heute als Gemeinderat für die Elektra verantwortlich ist. Daneben werden auch separate Tarife für Glätteisen, Kleinmotoren bis 4 PS und für Koch- und Heizzwecke aufgeführt. «Teuerungs- und kaufkraftbereinigt gaben die Eggenwiler für die Beleuchtung wohl vor 100 Jahren dreimal mehr aus als heute», rechnet Bonnemeier aus. Das erste Reglement behielt 28 Jahre seine Gültigkeit.
Versorgt wurde das Dorf über ein Trafohäuschen, das zwischen dem Restaurant Sonne und dem heutigen Dorfplatz stand. Dieser markante Blickfang wurde 1978 durch eine Trafostation ersetzt. Die Stromversorgung erfolgte noch lange oberirdisch. «In den letzten 25 Jahren haben wir sämtliche Leitungen im Dorf in den Boden verlegt», weiss Walter Bürgi.
Investieren statt verkaufen
Während einige Freiämter Gemeinden mittlerweile ihre Elektras verkauft haben, gehört diese in Eggenwil immer noch der Einwohnergemeinde. «Ein Verkauf war auch in in den letzten 30 Jahren immer wieder mal ein Thema», weiss der Gemeindeschreiber. «Für einen solchen Schritt spricht ein grosser Investitionsbedarf in die Infrastruktur oder die einmalige Tilgung von Schulden. Allerdings gibt man damit das Zepter der Elektroversorgung aus der Hand.» Und Frank Bonnemeier ergänzt: «Wir haben immer wieder in unsere Anlagen investiert. Unsere Nachfolger sollen eine top gewartete Elektra erhalten, mit der sie dann selber entscheiden können, was sie tun möchten.»
Walter Bürgi betont, dass das Betreiben einer eigenen Elektrizitätsversorgung sehr kompliziert und aufwendig ist. Die Grundlagen dazu füllen in der Verwaltung mehrere Ordner. Gewisse Aufgaben, wie den Stromhandel, lagert die Elektra deshalb aus. Um diesen kümmern sich jetzt die Regionalwerke Baden mit einem Beschaffungsmandat. Wichtig sei auch, genau zu klären, wer bei einem Schaden haftbar gemacht wird. Dabei hilft jetzt auch das neue und 5. Reglement der Elektra. Zudem nimmt es Rücksicht auf die technischen Entwicklungen. «Noch vor 30 Jahren sprach zum Beispiel niemand von der Möglichkeit, sein Auto zu Hause in der Garage mit Strom aufzuladen», so Bonnemeier. «Auch die private Stromproduktion zu Hause mittels Solarzellen auf dem Dach war noch kein Thema. Die Rückspeisung dieses Stromes in das Netz musste erst geregelt werden.» Und der Gemeindeschreiber blickt voraus: «Unsere 100-jährige Elektra ist trotz ihres Alters fit für die Zukunft und wird die Herausforderungen mutig anpacken.»