Hartnäckigkeit und positives Denken
19.07.2019 Bremgarten«Freiämter im Ausland»: Yasmine Henseler ist nach Schweden ausgewandert
«Nie aufgeben» ist das Motto von Yasmine Henseler aus Rottenschwil. Die 44-Jährige ist im Februar 2017 mit ihrem Mann Max und den zwei Söhnen nach Schwedisch-Lappland ...
«Freiämter im Ausland»: Yasmine Henseler ist nach Schweden ausgewandert
«Nie aufgeben» ist das Motto von Yasmine Henseler aus Rottenschwil. Die 44-Jährige ist im Februar 2017 mit ihrem Mann Max und den zwei Söhnen nach Schwedisch-Lappland ausgewandert. Dort betreiben sie eine Lodge mit 37 Zimmer und 70 Betten.
Roger Wetli
«Beim ersten Date mit meinem heutigen Mann sagte ich während des Desserts: Da meine Wurzeln zur Hälfte in Italien sind, reise ich nur in den Süden. 35 Grad sind schön, 40 aber besser», lacht Yasmine Henseler. «Das war es dann wohl, hat er sich gedacht.» Nach einer vierwöchigen Skandinavien-Reise war dann auch sie vom Virus der unendlichen Wälder, Wasserfälle und dem speziellen Licht infiziert. Während ihr Mann seit 38 Jahren nach Skandinavien reist, sind es bei ihr 14 Jahre.
Neues Kapitel aufgeschlagen
Geboren ist Yasmine Henseler-Gehrig in Lausanne. Mit sieben Jahren zog die Familie nach Rottenschwil, wo ihre Mutter und ihr Vater im Restaurant Hecht arbeiteten. Hier besuchte sie auch die Schulen und arbeitete später auch immer wieder in der Gegend.
«Fast alles ist anders», sagt sie zu ihrem neuen Wohn- und Arbeitsort. «Wir sind nicht nur ausgewandert, sondern haben auch gleich den Job gewechselt.» Sie freut sich, ihre Visionen und Ideen umsetzen zu können. «Wir sind unsere eigenen Chefs.» Der Entscheid, nicht mehr nur in Skandinavien zu reisen, sondern auch da zu wohnen, reifte nach einem heftigen Burn-out ihres Mannes. «Da haben wir uns entschieden, unser Leben nochmals komplett umzukrempeln und ein neues spannendes Kapitel aufzuschlagen. Wir wollten mehr Zeit für uns und für unsere Kinder haben.»
Andere Mentalität
Schlussendlich ging alles aber sehr schnell. Nachdem sie verschiedene Plätze angeschaut hätten, sei sie im Internet im Dezember 2016 in Övertorneå gelandet. Dieses liegt an der schwedischen Ostgrenze zu Finnland. Die Distanz zwischen der Lodge und dem Nachbarland beträgt gerade drei Kilometer. «Mein Mann hat den Platz angeschaut und wusste: Das ist es.» Bereits am 6. Februar flogen sie los. «Ja, man muss aufpassen, was man sich wünscht. Es könnte in Erfüllung gehen», sinniert sie. Zu diesem Zeitpunkt konnten beide auch noch kein Schwedisch. Ihr Mann hätte mit der Sprache weniger Probleme. Für sie selbst sei das immer noch eine Herausforderung.
An Schweden schätzt sie die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Leute. Viele fänden es toll, was sie machen und würden ihre «Norrsken Logde» mögen. Trotzdem werde sie von der Mentalität her wohl nie Schwedin werden, wobei sich dabei der Norden vom Süden unterscheiden würde. «Hier hat man es nicht so mit der Zuverlässigkeit und der Qualität der Arbeit.» Alle seien nett und meinten es gut. Aber das Resultat sei dann doch nicht ganz das, was man sich vorgestellt hätte. «Das führt zu Diskussionen. Und die Schweden diskutieren gerne und viel.»
Einige Fans
Umso mehr schätzt Yasmine Henseler das schwedische Schulsystem. «Es wird hier in kleinen Gruppen an Lösungen gearbeitet. Das System baut auf den Talenten der Kinder und nicht auf ihre Leistung auf.» Für Kinder sei Schweden ein absolutes Paradies. Davon profitieren ihre Söhne Janne (7 Jahre alt) und Kimi (4). «Die Krippen/Kindergarten und die Vorsind einmalig schön und sehr gut entwickelt. Sogar Kinderyoga wird angeboten.»
Ihre Lodge betreibt das Ehepaar Henseler zusammen mit drei Festund bis zu zehn Temporärangestellten. Zum Betrieb gehören ein Hotel, ein Restaurant und ein Camping. Zudem bieten sie viele Aktivitäten wie Kanufahren, Wandern, Fahrrad-Touren und im Winter Husky- und Rentiertouren, Nordlicht-Fotografie oder Eis-Fischen an. «Es läuft sehr gut. Wir sind zufrieden und bauen aktuell unser Angebot in Zusammenarbeit mit Reisebüros aus der Schweiz und Deutschland aus.» Ihre Gäste kommen vor allem aus der Schweiz. Aber auch aus Deutschland und Frankreich. «Wir sind stolz darauf, schon einige Fans zu haben, welche zu Stammgästen wurden.»
Sonnenaufgänge als Entschädigung
Sie habe ab und zu Heimweh. «Ich vermisse meine Familie, meinen Vater und meine Schwester und meine Freunde im Freiamt.» Ab und zu wünscht sich Yasmine Henseler, sie könnte einfach schnell an einem Wochenende an die geplante Grillparty oder Raclette essen gehen. Ihre alte Heimat besucht sie so oft wie möglich. Entschädigt für ihren Mut zur Auswanderung wird sie durch das Licht. «Die Mitternachtssonne im Sommer und die Nordlichter im Winter hauen uns jedes Mal um. Die Sonnenuntergänge und -aufgänge sind oft atemberaubend und zaubern wunderschöne Farben an den Himmel.» Auch die Wälder, Flüsse und Seen seien fantastisch. Und dann der Winter: «Er ist kalt und richtig schön. Der Schnee ist federleicht, da die Luft so trocken ist. Deshalb fühlt sich die Kälte auch nicht so kalt an.» Einzig der Wind nerve ab und zu.
Leuten, die mit dem Gedanken spielen auszuwandern, rät sie, sich genau anzuschauen, was ein Leben im gewünschten Ort bedeute. «Ferien sind was ganz anderes als das permanente Leben», weiss Henseler. «Am Anfang sei vieles gut, später kommen die Herausforderungen.» Bei ihnen sei es relativ gut gelaufen. «Klar haben wir viel Sporengeld bezahlt und den Kopf mehrmals gestossen. Aber wir haben es schlussendlich gemeinsam gepackt und etwas daraus gemacht. Wir können stolz sein.» Hartnäckigkeit und positives Denken seien gute Helfer bei einem solchen Vorhaben.
Serie «Freiämter im Ausland»
In der Schweiz leben viele Personen, die aus dem Ausland zugewandert sind. Aber auch viele Schweizer zieht es dauerhaft in die Ferne. In dieser Serie stellen wir einige Freiämter vor, die den Sprung ins Unbekannte gewagt haben.
Bisher erschienen: Guido Honegger aus Bremgarten in Finnland (Ausgabe 56).



