Über Minsk nach Tokio
28.06.2019 RadsportDie Hägglingerin Michelle Andres an den European Games
Mit der Teilnahme an den European Games in Minsk feiert die Hägglingerin Michelle Andres ihren vorläufigen Karrierehöhepunkt. Ein nächstes Ziel wäre die Qualifikation für die ...
Die Hägglingerin Michelle Andres an den European Games
Mit der Teilnahme an den European Games in Minsk feiert die Hägglingerin Michelle Andres ihren vorläufigen Karrierehöhepunkt. Ein nächstes Ziel wäre die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Josip Lasic
Viel Zeit für ein Gespräch hat Michelle Andres nicht. Sie muss zur Massage. Trainieren und regenerieren. So sieht ihr Alltag in Minsk aus, wo die Hägglingerin an den European Games teilnimmt. «Ausserdem muss ich versuchen, mich nicht ablenken zu lassen», so die 22-Jährige.
Keine einfache Aufgabe. Die Radsportlerin ist überwältigt von den Eindrücken in Minsk. Die Teilnahme an den Europaspielen ist der bisher grösste sportliche Erfolg von Andres. «Das olympische Dorf ist riesig. Ausserdem ist es etwas Besonderes, mit der grossen Schweizer Delegation unterwegs zu sein und nicht nur mit dem Nationalteam im Radsport.» Im Dorf gibt es regelmässig ein grosses Dinner und eine Bühne mit diversen Konzerten. «Die Möglichkeiten, sich ablenken zu lassen, wären da. Aber ich bleibe fokussiert.»
Minsk als Gegenwart, Tokio als Zukunft
In Weissrussland wird Andres mit dem Rad auf der Bahn in zwei Disziplinen starten. Gestern Abend, nach Redaktionsschluss, trat die Freiämterin im Point’s Race, dem Punktefahren an. Dabei erfolgt nach einem Massenstart in vorher festgelegten Abständen eine Punktevergabe (5, 3, 2, 1 Punkte) für die Platzierung beim Erreichen der Ziellinie. Übermorgen Sonntag wird sie im Individual Pursuit, der Einerverfolgung, an den Start gehen. Dabei fährt sie gegen eine Gegnerin. Sieger bei der Einerverfolgung ist, wer seinen Gegner einholt oder die bessere Zeit erzielt.
Andres fing bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Radsport an. Damals allerdings noch auf dem Mountainbike. Ihre Mutter, Monika Andres, ist Präsidentin des VC Hägglingen. Durch sie und ihre vier Jahre ältere Schwester Fabienne kam Andres zum Radsport. «Meine Schwester war immer mein Vorbild», sagt Michelle Andres. Mit 18 wechselte sie vom Mountainbike zum Strassenrad. Seit drei Jahren fährt sie auf der Bahn. Mit Erfolg. 2017 wird sie Schweizer Meisterin in der Disziplin Madison, dem Zweier-Mannschaftsfahren. An der U23-EM 2017 holt sie den 5. Rang. Auch an diversen Weltcups schneidet die Hägglingerin sehr gut ab. Mittlerweile ist sie Teil des Schweizer Olympiaprojekts für Tokio 2020.
In Tokio teilzunehmen wäre ein nächstes grosses Ziel von Andres. «Zuerst muss sich die Schweiz als Nation qualifizieren», erklärt sie. «Es sind danach vier Frauen, die um die Olympia-Plätze kämpfen. Es wird hart, aber natürlich ist es ein grosses Ziel.»
Leben aus dem Koffer
Damit sich die Schweiz und Andres für Tokio qualifizieren können, müssen sie an diversen Wettkämpfen möglichst viele Punkte sammeln. Gleich nach den European Games in Minsk reist die Freiämterin an die U23-Europameisterschaften in Belgien. Allgemein ist sie viel unterwegs. Sie wohnt zwar noch in Hägglingen, trainiert aber viel in Magglingen. Ausserdem studiert sie Kommunikation und Medien sowie Soziologie an der Uni Fribourg. «Ich mache das neben dem Sport», erklärt sie. «Aktuell bin ich aber nicht häufig an der Universität.» Training, Wettkämpfe, Studium. Die junge Frau muss viel reisen. «Ja, ich bin viel unterwegs. Es macht mir allerdings auch Spass und man gewöhnt sich dran», so Andres. «Dennoch bin ich froh, wenn ich länger als drei Tage in Hägglingen sein kann. Zu Hause kann ich Kraft tanken.»
Ohne Paradedisziplin in Minsk
Bis sie wieder in ihr Hägglingen zurückkann, wird es aber noch ein wenig dauern. Die European Games in Minsk sind die Gegenwart von Michelle Andres. Sie kann dort aber nicht in ihrer Paradedisziplin Madison, wo sie 2017 Schweizer Meisterin wurde, starten. Ihre Ziele in den anderen Disziplinen: «Individual Pur suit bin ich erst vier oder fünf Mal gefahren. Dort möchte ich eine neue persönliche Bestzeit aufstellen. Im Point’s Race will ich ein aktives, sauberes Rennen bestreiten, ohne grosse technische Fehler.»
Die European Games geben nicht viele Punkte für die Olympia-Qualifikation. Andres geht mit positiver Einstellung an den Wettkampf. «Ich freue mich hier zu sein und starten zu dürfen.» Einen Hauch Olympia spürt sie dabei schon. «Wenn man im Kader von Swiss Olympic ist und das Tenü trägt, ist es ein besonderes Gefühl.»