Bremgarten hat ausgewandert
31.05.2019 BremgartenPer Ende Oktober löst sich die 1967 gegründete Wandergruppe Bremgarten auf
«Wie sagt man doch so schön? Jede Zeit ist eine gute Zeit oder jede Zeit hat etwas Gutes.» So schrieb Wandergruppe-Präsidentin Marianne Waltenspül vorausschauend ...
Per Ende Oktober löst sich die 1967 gegründete Wandergruppe Bremgarten auf
«Wie sagt man doch so schön? Jede Zeit ist eine gute Zeit oder jede Zeit hat etwas Gutes.» So schrieb Wandergruppe-Präsidentin Marianne Waltenspül vorausschauend schon in der Chronik zum 50. Geburtstag 2016. Der Satz hilft nun tröstend.
Die Auflösung der Wandergruppe, die regelmässig die aus der ganzen Schweiz gut besuchten Volksmärsche um Bremgarten organisiert hatte, zeichnete sich spätestens nach den letzten Wandertagen vor ein paar Wochen ab. Aus eigener Kraft war die Veranstaltung längst nicht mehr zu tragen. Eigene Mitglieder und rund 30 auswärtige Helfer ermöglichten die Durchführung.
Alarm geschlagen
Wie sich nun zeigt, war es die letzte, mit total 907 Wanderfreudigen aus der Region und von weither, einzelne Stammkunden sogar aus Deutschland, die Engländer kamen jeweils per Car. Im Nachgang zu den Volkswandertagen 2019 schlugen die drei letzten Vorstandsmitglieder Marianne und Thomas Waltenspül und Cédric Schärer die Alarmglocke. Falls man jetzt nicht neue Vorstandsmitglieder und weitere anpackende Helfer finde, sei die Wandergruppe in absehbar kurzer Zeit am Ende. Tatsächlich wurde am letzten Dienstag bei einem köstlichen Erdbeerdessert der «Ende Feuer»-Beschluss kommuniziert. Man hatte auch an der Generalversammlung keinen Erfolg gehabt. «Es will niemand mithelfen», resigniert Marianne Waltenspül, die schon vor einem Jahr angekündigt hatte, dass sie das Präsidentenamt abgeben werde.
Die kleine, aber feine Geburtstagschronik von Cédric Schärer zeigt die wichtigsten Erlebnisse und Gegebenheiten im Vereinsleben detailliert auf. Im Zentrum standen die alljährlichen Volksmarschtage, aber auch Wanderungen über fünf, zehn und zwanzig Kilometer. In den Anfängen starteten sie noch auf der Bärenmatt. Es gab nur Wurst und Brot, den Stempel des Verbandes, als Erinnerung Tonfiguren oder Medaillen, die jeweils andere Bremgarter Sujets trugen: Häuser, Brunnen, umliegende Gemeindewappen. 1968 wurde mit 4000 Wanderfreunden ein Rekord erreicht. Der älteste Teilnehmer war Juanito Schaufelbühl, Jahrgang 1882. Legendär waren auch die innerstädtischen Konkurrenzen, wenn etwa die Restaurants Adler oder Drei-König (Fahnenkastenlokal) miteinander um die grösste Wandergruppe wetteiferten. Tempi passati. Die Wandergruppe war immer an den anderen Bremgarter Anlässen präsent und solidarisch. Die Erlöse aus den Volksmarschtagen gingen mal an den Samariterverein, mal an den Blauring. Ausgeholfen haben die Volkswanderer auch immer an den grossen Festen zum Beispiel beim Stadtmusikjubiläum 1981, beim Altstadtfest 1983 oder beim Aargauischen Musikfest 1988. Man war an Märkten mit Verpflegungsstand aktiv, an der Fasnacht mit einem Sujetwagen dabei und pflegte ein reges Vereinsleben: Abendmärsche, Wintermärsche, an Auffahrt wurde der Familiengrill angefeuert und auch mal Fussball gespielt.
Für den Besuch von Volksmärschen schaffte man sich einen Vereinsbus an und 1976 eine Standarte. 1969 marschierten die Bremgarter sogar am Europamarsch im deutschen Ellwangen mit.
Überalterung, Personalmangel
«Du kannst das ‹Rössli› noch lange aufrechthalten, aber irgendwann stinkt es dir, die Stimmung kippt.» Marianne Waltenspül erkennt, dass sich die Zeiten gewandelt haben. Das Vereinsleben wie die Kameradschaft seien in der Vergangenheit stärker gewertet worden als heute. Schlagwörter wie Handy, WhatsApp waren unbekannt. Ein Auto hatte auch nicht jeder. Die Individualität im Alltag des Einzelnen spricht gegen die Vereine. Volksmärsche laufen sich aus. Verloren gehen Austausch und Treffen. Organisiertes Wandern ist nicht mehr «in». So verabschiedet sich der traditionelle Wanderfamiliensonntag. Bremgarten verliert. «Es tut weh», sagen die drei Tapferen. Sie kümmern sich um eine geordnete Abwicklung. Immerhin: Der grosse Vereinsgasgrill ist bereits verkauft. Stefan Stöckli hat ihn zugunsten der Feuerwehr Bremgarten übernommen. --hr