Im positiven Sinn durchgeknallt
02.04.2019 MutschellenGelungene Premiere des Musicals «No nöd ganz 100»
Was langsam beginnt, nimmt schnell Fahrt auf. Und reisst das Publikum mit vielen bekannten Melodien mit. Das Auftaktwochenende ist dem Musicalverein gelungen.
Chregi ...
Gelungene Premiere des Musicals «No nöd ganz 100»
Was langsam beginnt, nimmt schnell Fahrt auf. Und reisst das Publikum mit vielen bekannten Melodien mit. Das Auftaktwochenende ist dem Musicalverein gelungen.
Chregi Hansen
Ganz am Schluss der Premiere, als aller Dank überbracht war und alle Blumen verteilt waren, wandte sich Präsidentin und Drehbuchautorin Anastasia Gräni noch einmal ans Publikum. «Unser Ziel war es, euch einen Abend lang gut zu unterhalten. Ich hoffe, das ist uns gelungen», sagte sie. Der tosende Applaus im Chappelehofsaal war Antwort genug. Das erste Stück nach einer fünfjährigen Pause ist dem Musicalverein Mutschellen bestens gelungen.
Viele komische Momente
Das ist alles andere als selbstverständlich. Schliesslich vertraut der Verein nicht einfach auf eine bekannte und erfolgreiche Vorlage, sondern wagt sich auch diesmal mit einer Eigenproduktion vors Publikum. Als «Komödie mit Tiefgang» preist man die neue Produktion «No nöd ganz 100» selber an. Und der Ausdruck ist gut gewählt. Zwar dominieren die witzigen Dialoge, sorgen die überzeichneten Charaktere für absurde Situationskomik, doch dazwischen gibt es auch leise, nachdenkliche Momente und sogar einige poetische Szenen. Und nicht zuletzt regt das Stück zum Nachdenken an – und zwar über die Frage, wie man eigentlich selber einst im Alter leben will. Dieser Frage stellen sich auch alle Darsteller – und beantworten sie im Programmheft. Eine nette Idee.
Viermal wurde das Stück am Wochenende gezeigt, noch bleiben drei weitere Aufführungen – ebenfalls in Wohlen. Wer Lust hat auf eine witzige Komödie, in die bekannte Melodien aus Pop, Schlager und dem Musicalbereich eingebaut sind, der sollte nicht zögern. Und sich beeilen. Der Grossteil der Tickets ist schon weg.
So ein WG-Leben ist turbulent
Der Musicalverein Mutschellen gastiert mit «No nöd ganz 100» im Chappelehof Wohlen
Das Sprachspiel im Titel passt bestens. Die Bewohner dieses Hauses sind wirklich «ned ganz 100». Heisst: Sie haben alle ihre Macken. Aber sie sind auch altersmässig «no nöd ganz 100». Und darum wissen sie sich durchaus zu wehren.
Chregi Hansen
Eigentlich sei es ja schon seltsam, meint eine der Figuren im Verlauf des Stückes. «Je älter der Mensch wird und je weniger Zähne er hat, desto bissiger wird er zum Teil.» Und tatsächlich können die Bewohner dieser bunt zusammengewürfelten WG ganz schön austeilen. Aber im Grunde ihres Herzens sind diese Alten alle liebenswert – und geben auch gut aufeinander acht.
Und das ist nötig, wollen sie auch weiterhin in der Villa von Hildi und Trudi wohnen. Denn diese sind mit den Zinsen für die Hypothek ganz schön im Rückstand. Und weil Hildis Sohn Sämi und dessen Freund Benno ständig pleite sind und sich darum grosszügig an den Mieten bedienen, droht die Zwangsräumung. Dabei sollte die WG-Gründung doch für die nötigen Einnahmen sorgen. Denn mit der angebotenen Telefon-Sexline der beiden älteren Damen nach dem Motto «bügeln und verführen» läuft es nicht ganz so gut.
Tolle Charaktere, begeisternde Musik
Um so mehr läuft im Alltag. Die wunderbar überzeichneten Charaktere sorgen für viel Trubel im Haus. Egal ob die nörgelende Lehrerin und ihr unterdrückter Ehegatte, die Esoterik-Tante, der charmante Engländer, die ständig trauernde Witwe, die schwerhörige Schrullige oder die (scheinbar) verwirrte Ex-Polizistin, die sich auf einer Kreuzfahrt wähnt, sie alle haben ihre Wehwehchen und Probleme – aber eigentlich fühlen sich alle wohl an diesem Ort. Selbst Sämi undBenno bekommen diese Alten plötzlich gern – auch wenn sie ihnen deutlich mehr Stress bescheren als erwartet.
Das Stück überzeugt. Auch durch die Musikauswahl. Die Lieder sind passend – und sehr oft noch treffend umgeschrieben. Statt «Skandal im Sperrgebiet» heisst es dann «Skandal ir Chuchi», bei der Rückkehr des Sohnes erklingt natürlich «Mamma Mia», man hört «Die Prinzen», die «Beatles» oder auch mal Udo Jürgens. Die Choreinsätze passen (nach anfänglicher Nervosität) bestens, die Soloeinlagen sitzen, die Choreografien gefallen – auch wenn die Symbolik teilweise etwas arg strapaziert wird. Wunderbar gestaltet ist das Bühnenbild, der zweistöckige Aufbau mit den vielen Türen bietet verschiedene überraschende Auftrittsmöglichkeiten. Und diese werden fleissig genutzt.
Letztlich ist es das Gesamtpaket, das überzeugt. Die ersten zehn Minuten sind etwas zäh, aber nachdem das Stück Fahrt aufgenommen hat, lässt es einen nicht mehr los. Natürlich endet das Ganze in einem Happy End, aber zuvor muss manche turbulente Szene überstanden werden. Die Geschichte bietet den Darstellern Möglichkeiten zu brillieren, die Musik lässt so manches Gesangstalent auf blühen. Alles in allem ist das Stück tatsächlich «nöd ganz 100», sondern viel mehr: Es ist spitze.
Infos: https://musicalverein.ch.










