Klassiker neu interpretiert
26.03.2019 TheaterTheater der Kanti Wohlen
Schillers Werk «Die Räuber» wurde 1781 zunächst anonym veröffentlicht, dann am 13. Januar 1782 in Mannheim uraufgeführt, wo es für nationales Aufsehen sorgte und Schiller schlagartig berühmt machte. ...
Theater der Kanti Wohlen
Schillers Werk «Die Räuber» wurde 1781 zunächst anonym veröffentlicht, dann am 13. Januar 1782 in Mannheim uraufgeführt, wo es für nationales Aufsehen sorgte und Schiller schlagartig berühmt machte. Die Aufführung selber löste einen Skandal aus. Mehr als 200 Jahre später wagte sich nun die Kanti Wohlen an dieses Stück. Von einem Skandal redet heute niemand – trotzdem sorgt der Text noch immer für Diskussionen. Und hat nichts von seiner Aktualität verloren. --red
Polarisierend – damals wie heute
Theaterprojekt der Kanti Wohlen erntet tosenden Applaus
Stark und eindrucksvoll setzten die 36 Schüler Schillers Werk «Die Räuber» zeitgemäss um. Kunstvoll werden Emotionen vermittelt. Der Fokus liegt auf dem gesprochenen Wort, welches mit mehrfach besetzten Rollen und chorischem Reden noch kraftvoller vermittelt wurde.
Joël Gattlen
Wie ein nicht endendes Donnergrollen ergiesst sich ein wildes Stimmenwirrwarr über das Publikum. Dann herrscht plötzlich Stille und dunkle Gestalten huschen wie auf Samtpfoten über die Bühne. Danach setzen simultan vier Erzähler ein und kommentieren: «Die Räuber – Friedrich Schiller».
Das neuste Theaterprojekt der Kanti Wohlen widmet sich dem literarischen Drama, welches zu den Standardwerken deutscher Literatur gehört, und setzt dieses kunstvoll sowie ausdrucksstark um. Regie führte der Theaterpädagoge Andreas Bürgisser, welcher sich mit seinen innovativen Ideen bereits einen Namen in der Schweizer Theaterszene gemacht hat. Die musikalische Leitung übernahm Sologesangslehrerin Daniela Larkin.
Die Gesamtleitung des Projektes oblag jedoch den beiden Deutschlehrerinnen Patricia Farahmand und Susanne Stocker, welche das Theaterprojekt mit viel Herzblut führen. «Ziel ist es, die Schüler auf die Bühne zu bringen und Talente zu fördern. Einige Schüler blühen im Theater regelrecht auf», sagt Farahmand. Am Projekt teilgenommen haben insgesamt 36 Schülerinnen und Schüler. «Zwei Drittel davon waren Frauen», ergänzt Farahmand.
Zwei Brüder im Konflikt
Am Theaterprojekt nahmen auch die Brüder Mauro (18) und Benjamin (16) Koch teil. Speziell ist, dass sie auch im Theaterstück die Rolle der Brüder einnehmen. Während Mauro den Franz spielte, verkörperte Benjamin den Karl. «Das war eine sehr interessante Erfahrung», sagen sie. Das brüderliche Verhältnis im Stück ist natürlich ein gänzlich anderes. Benjamin nahm schon an vielen Theaterproduktionen teil. «Seit ich acht Jahre alt bin, stehe ich auf der Bühne. Seither habe ich an 22 Stücken mitgewirkt. Theater ist für mich eine Faszination», betont der ambitionierte Schüler, welcher derzeit die zweite Klasse der FMS besucht. «Ich will Schauspieler werden. Dafür kämpfe ich.» Aus diesem Grund bewirbt er sich derzeit an zahlreichen Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum. Für Mauro Koch ist es hingegen die erste grosse Bühnenproduktion, bei welcher er mitwirkt. «Meine Leidenschaft ist das Geigenspiel. Aus diesem Grund möchte ich gerne nach Abschluss des Gymnasiums Jazzgeige in Luzern studieren.»
Tosender Applaus
Das Stück kam auch beim Publikum mehrheitlich sehr gut an, welches das Engagement der Schüler mit grossem Applaus honorierte. Unter den Zuschauern befanden sich auch die Schülerinnen Diona Gutaj (17) aus Aristau und Elena Wey (18) aus Bremgarten, welche derzeit im zweiten FMS-Jahr sind. «Wir kennen viele, die beim Theater mitgemacht haben, und sind begeistert. Die Umsetzung ist wirklich sehr gelungen und habe ich in dieser Form noch nie gesehen», betont Wey. «Speziell ist, dass die Charaktere mehrfach besetzt wurden. Das war am Anfang zwar etwas verwirrend, doch man hat sich schnell daran gewöhnt. Eindrücklich fand ich auch, dass nicht nur der Text synchron gesprochen wurde, sondern auch die Mimik und Gestik aufeinander abgestimmt wurde», sagt Gutaj.
Aussagen als despektierlich empfunden
Etwas kritischer beurteilt Simon Müller (22) aus Wohlen die Aufführung: «Ich bin ein grosser Freund moderner Theaterproduktionen, doch diese war mir persönlich zu wild. Es hat einen fast erschlagen», sagt er. Auch Aussagen wie «10 Jahre studieren und doch ‹nur› als Hausfrau enden auf die im Theater aufgeworfene Frage ‹Was hätten wir jetzt noch für eine Wahl?›, findet er heikel und despektierlich. Unabhängig davon schätze er aber das Engagement der Schüler. «Man merkt, dass es ihnen wirklich viel Freude bereitet, und ich finde das Theaterprojekt eine sehr gute Sache, um die Kreativität der Schüler zu fördern», schliesst Müller.
Schon als Schiller das Stück 1782 uraufführte polarisierte das Stück. Einerseits begeisterte es die Menge aufgrund seiner Innovation. Längere Zeitsprünge und unterschiedlich parallel verlaufende Handlungsstränge waren ein Novum und stellten gleichzeitig einen Protest gegen Normen und Gesetze der Literatur, wie etwa die von Aristoteles aufgestellten Regeln der Tragödie, dar. Andererseits empörten sich zahlreiche Zuschauer über von Schiller verwendete Kraftausdrücke und die Schilderung einer Vergewaltigung von Nonnen. «Es gibt sogar Berichte, dass Frauen während der Aufführung in Ohnmacht gefallen sein sollen», verrät Farahmand abschliessend.