Getrennte Welten

Yanike Becklas, Antofagasta, Chile..

Ein hellbrauner Faltenrock, marineblaue Kniestrümpfe, Lackschuhe und ein Polohemd – so sieht die offizielle Schuluniform meiner chilenischen Schule aus. Nach sieben Monaten freue ich mich immer noch jeden Morgen, sie anzuziehen, um dann wenig später mit meiner Gastschwester durch das weisse Eingangsgitter die «Antofagasta International School» zu betreten. Die Kleiderordnung und die direkte Lage des Schulhauses am Ozean, sodass ich während dem Unterricht das Meeresrauschen höre, sind jedoch nicht die einzigen Unterschiede zwischen der Schule hier und der Kanti Wohlen.

In Chile hat es drei Schultypen. Zum einen gibt es öffentliche n, gratis für alle, aber mit einem sehr tiefen Bildungsniveau, daneben subventionierte, welche teilweise vom Staat, teilweise von der Familie finanziert werden und zuletzt kostspielige Privaten, die sich nur ein kleiner Teil der chilenischen Eltern für ihre Schützlinge leisten kann. Am Ende von zwölf Schuljahren legen alle die nationale Universitätszulassungsprüfung ab, anstatt Matura wird sie hier aber PSU genannt (prueba de selección universitaria). Gemäss erreichten Punktzahlen werden die Schüler landesweit in ein Ranking eingeteilt und die Universitäten wählen dann ihre zukünftigen Studenten aus. Wenn ich manchmal mit dem Bus in Richtung Zentrum von Antofagasta fahre, rufen an den Universitäten Protestplakate zu Studentenstreiks auf, die bis zu Monaten dauern können. Thema sind immer die Elitisierung und die Chancenungleichheit im chilenischen Bildungssystem.

Ich selber gehe auf eine wunderschöne, privilegierte Private, in der alle zwölf Jahrgänge untergebracht sind. Seit Anfang März bin ich in der Abschlussklasse, was viele Unterrichtsstunden purer PSU-Vorbereitung mit sich bringt. Zusätzlich besuchen praktisch alle meine Freunde täglich nach Schulschluss weitere Trainingskurse für diese so zukunftsentscheidende Abschlussprüfung im November. Den gewöhnlichen Unterricht hingegen nehmen weder Schüler noch Lehrer immer richtig ernst. Kleine Streiche spielen, viel lachen und aus schweizerischer Sicht reichlich Zeit mit Nichtstun zu verschwenden sind an der Tagesordnung. Es besteht ein fast familiäres Verhältnis, da sich die meisten Lehrer und Schüler schon seit Jahren kennen. Auch mir sind sie alle ans Herz gewachsen. Begegne ich heute beispielsweise einem Lehrer im Supermarkt, werde ich mit einem Küsschen auf die Wange und einer herzlichen Umarmung begrüsst.

An den Gegensatz vom enormen Druck der PSU zur eher lockeren Stimmung im Unterricht und an die starke soziale Trennung zwischen den unterschiedlichen Schultypen musste ich mich zuerst gewöhnen – im Vergleich zur Schweiz kommt mir die Schule hier wie aus einer anderen Welt vor, die ich in diesem widersprüchlichen Austauschland gefunden habe, das ich so liebe.

Yanike Becklas weilt in einem Austauschjahr in Antofagasta in Chile. Sie wohnt in Wohlen und besucht hier die Kantonsschule. Die 16-Jährige berichtet regelmässig über ihre Erfahrungen in Chile.

AUSTAUSCHJAHR

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