Spielend lernen
04.12.2018 PolitikMaturandinnen entwickeln Polit-Brettspiel
Rund neun Monate haben die Kantischülerinnen Tamara Lanza aus Rudolfstetten und Evelyn Motschi aus Oberrohrdorf in ihre Maturaarbeit investiert. An der Bezirksschule haben sie selber die Erfahrung gemacht, dass der ...
Maturandinnen entwickeln Polit-Brettspiel
Rund neun Monate haben die Kantischülerinnen Tamara Lanza aus Rudolfstetten und Evelyn Motschi aus Oberrohrdorf in ihre Maturaarbeit investiert. An der Bezirksschule haben sie selber die Erfahrung gemacht, dass der Staatskundeunterricht nicht gerade fesselnd ist. Zu schwierig die Begriffe, zu langweilig der Unterricht. Mit ihrem Brettspiel «Initiativo» ermöglichen sie nun den Jugendlichen einen spielerischen Einstieg in politische Zusammenhänge. «Wir wollten etwas Cooles, Tolles, richtig Gutes schaffen», sagen sie. Das ist ihnen vollauf gelungen. --eob
So macht Politik Spass
Rudolfstetten, Oberrohrdorf: Zwei Maturandinnen haben das Brettspiel «Initiativo» entwickelt
Politik? Viel zu langweilig, viel zu kompliziert. Diesem Vorurteil begegnen Tamara Lanza und Evelyn Motschi mit ihrem Brettspiel «Initiativo». Bei diesem ist Politik ein Abenteuer. Wer gewinnen will, braucht Wissen, Strategie und Glück.
Erika Obrist
Referendum, Initiative. Parteien, Fraktionen. Proporz und Majorz. Petition. Wahlen und Abstimmung. Bund, Kanton, Gemeinden. Das politische System in der Schweiz zu erklären, ist nicht ganz einfach. Oberstufenlehrerinnen und Oberstufenlehrer wissen ein Lied davon zu singen. Das Thema ist wichtig, die Jugendlichen nur mässig interessiert. Zu viel trockene Materie, zu wenig Spass.
Diese Erfahrung haben auch die 19-jährige Tamara Lanza aus Rudolfstetten und die 18-jährige Evelyn Motschi aus Oberrohrdorf gemacht. Zusammen haben die Schülerinnen, die in Baden die Kantonsschule besuchen, nach einer Möglichkeit gesucht, wie man das Thema Politik den Jugendlichen schmackhaft machen kann. Sie suchten nach einem spielerischen Einstieg in die nicht einfache Materie. Spass sollte das Lernen über direkte Demokratie machen.
Es braucht einen klaren Kopf
Wie findet man spielerisch Zugang zu einer schwierigen Materie? Mit einem Spiel, dachten sich Evelyn Motschi und Tamara Lanza. Einem Brettspiel mit Würfeln, Spielfiguren, Wissensund Duellkarten. «Intitiativo» nennen die Maturandinnen ihr Brettspiel. «Damals, als wir die Idee mit dem Spiel hatten, stand gerade eine Abstimmung über eine Initiative an», blicken sie zurück. Und Initiativen sind bekanntlich ein wichtiger Bestandteil im politischen System der Schweiz und sie verknüpfen viele Aspekte der Politik.
Im Brettspiel für drei bis vier Spieler geht es darum, die Bevölkerung vom Inhalt der Initiative zu überzeugen. Dafür braucht es Präsenz in Radio, Fernsehen, Presse und in den sozialen Medien. Es braucht Geld für die Kampagne, es braucht Wissen und Argumente. Im Spiel muss man Fragen beantworten, gegen seine Mitspieler bestehen und einen klaren Kopf bewahren. «Es braucht eine klare Strategie, Wissen und etwas Glück», wissen Lanza und Motschi. Es sei ein richtiges Abenteuer für die Mitspielenden, versprechen die Entwicklerinnen. Beide besuchen an der Kanti die Schwerpunktfächer Wirtschaft und Recht, das Nebenfach Geschichte und das Freifach Politik. Beide sind politisch interessiert und haben schon an Gemeindeversammlungen teilgenommen. Evelyn Motschi ist zudem Mitglied der Jungfreisinnigen Bezirk Baden. «Ich bin in keiner Partei», sagt Tamara Lanza.
Mit 3D-Drucker gearbeitet
Der Weg von der Idee zum Produkt war ein weiter. Erst erstellten die Maturandinnen ein Konzept, dann entwarfen sie das Spielbrett. «Wir sind keine Künstlerinnen», geben sie sich bescheiden. Ebenso wichtig war das Zusammenstellen der Wissensund Duellkarten. «Nicht alle Fragen zielen auf des Wissen und auf historische Zusammenhänge.» Der Spass soll ja nicht zu kurz kommen. Auch auf den Schwierigkeitsgrad der Fragen galt es zu achten. «Als Testperson diente mein jüngerer Bruder», sagt Tamara Lanza. Bei Evelyn Motschi war es die jüngere Schwester.
Als Aussehen von Brett und Ablauf des Spiels feststanden, ging es an die Umsetzung. Dank einer Polygrafin im Bekanntenkreis erhielten sie einen Einführungskurs in die Gestaltungsprogramme «InDesign» und «Illustrator». Um Kosten zu sparen stellten sie das Spielzubehör mit dem 3D-Drucker her. «Mein Vater hat ein solches Gerät», sagt Tamara Lanza. Mit ihm zusammen habe sie erste Gehversuche auf diesem unbekannten Feld der modernen Technik gemacht. «Das Herstellen des Zubehörs war dann weit schwieriger.» Zumal das Computerprogramm nur auf Englisch zur Verfügung stand. Also haben sie im Internet nach Anleitungen gesucht und diese auch gefunden.
An der Kreisschule und an der Bez Baden getestet
Rund neun Monate lagen zwischen Idee und fixfertigem Brettspiel. Dazwischen gab es regelmässige Treffen mit der Hauptbetreuerin der Maturaarbeit. Dabei wurden jeweils der Stand der Arbeit und die Fortsetzung besprochen. «Diese Gespräche waren immer sehr motivierend», so Evelyn Motschi. Wichtig für die jungen Kantischülerinnen, denn sie hatten sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: «Wir wollten etwas Cooles, Tolles, richtig Gutes machen.»
Nachdem der Prototyp des Brettspiels vorlag und sie selber «Initiativo» gefühlte hundert Mal gespielt hatten, gingen sie damit an die Öffentlichkeit. Konkret in die Kreisschule Mutschellen und an die Bez Baden. Dort stellten sie ihr Konzept vor und testeten das Spiel mit je einer Klasse. An beiden Orten hätten die Jugendlichen den Einstieg ins Spiel schnell gefunden und viel gelernt. «Wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten und auch kleine Verbesserungsvorschläge.» Vorschläge, die sie umgesetzt und das Spiel so perfektioniert haben.
In der Ludothek Mutschellen und in der Stadtbibliothek Baden
Nun liegt das Brettspiel fixfertig vor. Samt Anleitung. «Wir haben uns Gedanken gemacht über die Vermarktung», sagen Lanza und Motschi. Am besten wäre natürlich, ein Lehrmittelverlag würde das Spiel in sein Angebot aufnehmen. Das ist bisher nicht geschehen. Doch in der Schublade verstauben soll es nicht. Man findet es in der Ludothek Mutschellen und in der Stadtbibliothek Baden. «Dort kann man es ausleihen und auch daheim spielen.» Und beide haben das Werk der Maturandinnen zum «Spiel des Monats» gekürt.
Übrigens: Die Präsentation ihrer Arbeit an der Kanti wurde mit einer glatten 6 bewertet. Die künftige Studentin der Wirtschaftswissenschaften Tamara Lanza und die künftige Studentin der Rechtswissenschaften Evelyn Motschi haben etwas Cooles, Tolles, richtig Gutes abgeliefert.