Ü60 und eine Frau muss sein, wer die Tragweite solcher mütterlicher No-Go ermessen kann. Mädchen in Hosen? Wir waren unter den Allerletzten, denen diese Revolution gestattet wurde. Minirock? Wir brachten uns aus Mutters Blickfeld und rollten unsere Röcke am Taillenbund über Kniehöhe. ...
Ü60 und eine Frau muss sein, wer die Tragweite solcher mütterlicher No-Go ermessen kann. Mädchen in Hosen? Wir waren unter den Allerletzten, denen diese Revolution gestattet wurde. Minirock? Wir brachten uns aus Mutters Blickfeld und rollten unsere Röcke am Taillenbund über Kniehöhe. Unvorstellbares sollte folgen: Hotpants und Spaghettiträger.
Was geht? Was geht nicht? Der kulinarische Knigge erlaube mir heute, meine ich, Rosé zu dunklem Fleisch und zu Fisch zu trinken. Tut er das? Ich recherchiere und erfahre anderes. Baron Adolph Knigge, Schriftsteller, veröffentlichte 1788 sein Werk «Über den Umgang mit Menschen». Nicht um den Umgang mit Messer und Gabel, nicht um Kleiderordnung kümmerte er sich, sondern um den achtsamen Umgang miteinander und mit sich selbst. Erstaunlich die Entwicklung des Labels «Knigge». 230 Jahre später gibts den Business Knigge, und jedes beliebige Knigge-Seminar kann mit Teilnehmern gefüllt werden, die nach gültigen Benimmregeln suchen.
Während knigge.de die heute als selbstverständlich geltenden Regeln im gesellschaftlichen Umgang mit dem Handy festhält, fordern die gleichen Knigge-Jünger das sorgsam gebügelte und gefaltete Stofftaschentuch im täglichen Gebrauch. Papiertaschentücher nur im Schnupfenfall. Krass.
Ist das Wort «krass» noch up to date? Kürzlich fragte ich eine junge Kollegin, ob «cool» in der Sprache der Jugend noch gängig sei. Wozu solche Abklärungen, nachdem sogar Ü60 «mega» in ihren Sprachgebrauch aufgenommen haben? Es verschwinden Wörter wie «anstössig». Anstössig fand ich brandschwarze Lügen in der Werbung. Doch da gibts kaum noch Tabus. Der «mündige» Konsument darf mit allen Mitteln auf ein Produkt eingeschossen werden.
Ein No-Go, meinte ich, sei das Twittern des Blondschopfs aus Washington DC. Mittlerweile macht er damit Weltpolitik. und andere hecheln ihm twitternd nach.
Was gesellschaftsfähig und moralisch vertretbar ist oder nicht, bleibt heute ziemlich offen. Sollen wir das bedauern oder uns über die Freiheit des Individuums freuen?
Einigen wir uns auf diesen niedrigsten Nenner: Ein absolutes No-Go sind unvollständige Puzzles, die uns an einer Spielzeugbörse angeboten werden.