Mit einer vom letzten Jahrhundert
12.06.2018 Essen und Trinken«Beizetour mit Babette» – ein kulinarischer und geschichtlicher Leckerbissen
Vom «Ochsen» über den «Adler» in den ehemaligen «Löwen» und ins heutige Café Stern. Auch ein Abstecher zum «Roten ...
«Beizetour mit Babette» – ein kulinarischer und geschichtlicher Leckerbissen
Vom «Ochsen» über den «Adler» in den ehemaligen «Löwen» und ins heutige Café Stern. Auch ein Abstecher zum «Roten Löwen» durfte nicht fehlen. Auf der Beizentour im Murianer Gebiet Wey nahm Babette die Besucher mit ins letzte Jahrhundert. Und sie wusste einiges zu erzählen.
Annemarie Keusch
Die Gruppe, die sich im Restaurant Ochsen trifft, ist bunt. Ältere Leute, jüngere, Frauen, Männer. Die meisten voller Vorfreude, im Wissen, was kommen wird. Andere mit leerem Gesichtsausdruck, weil sie zum Anlass eingeladen wurden und nicht wissen, worum es sich handelt. Einiges wird klar, als eine Frau in Werktags-Tracht mit grossem, altem Koffer den Raum betritt. Ob jemand diesen Koffer im Omnibus von Affoltern nach Muri vergessen habe, fragt sie. Nur: niemand kann ihre Frage mit Ja beantworten.
Keine Fenster in oberen Etagen
Sie sei die stellvertretende Pöstlerin, sagt Babette, gespielt von Iris Frey. Jahrgang 1860 habe sie. «Ja, ich habe mich gut gehalten. Das liegt am wöchentlichen Besuch im Damenturnverein.» Und Babette weiss viel zu erzählen. Etwa davon, dass Muri kurz nach der Jahrhundertwende 50 Strassenlampen bekommen habe, an Fronleichnam haben sie zum ersten Mal geleuchtet. «Für ein Bauernkaff wie Muri nicht schlecht.» Zu Hause habe sie aber kein elektrisches Licht. «Mein Mann meinte, das sei herausgeworfenes Geld. Wir gehen ins Bett, wenn es dunkel wird – und fertig.»
Rund 30 Personen fanden sich im «Ochsen» ein für den zweiten szenischen und kulinarischen Rundgang. Köstlichkeiten aus den Küchen des Cafés Stern, des «Adlers» und des «Ochsens», gepaart mit Geschichten des letzten Jahrhunderts. So sieht das Konzept von Robert Stöckli, Wirt der drei Lokale, aus. Und das gefällt. Natürlich auch dank der schauspielerischen Fähigkeiten von Iris Frey und dank ihrem Humor.
Immer wieder wurde gelacht, als sie davon erzählte, wie acht Tage nach dem Bau des neuen Spitals mit Pferd und Kutsche der erste Patient gebracht wurde. Oder wenn sie mit Wehmut vom «Muuser» erzählt, der an der Fassade der UBS verewigt ist, und wie sie sich Hoffnungen gemacht habe, als dessen erste Frau verstorben sei. Oder wenn sie davon berichtet, dass der «Adler» früher in den oberen Etagen keine Fenster hatte, «damit halbnackte Frauenzimmer die Mönche nicht in ihrem Tun derangierten».
Vom heiligen Leontius und vom «Roten Löwen»
Neben den Abstechern in die Restaurants, in denen die Besucher kulinarisch verwöhnt wurden – dies mit «Suurem Moscht» und Sauerbraten durchaus dem Thema entsprechend – nahm Babette die Besucher auch mit zum «Lonzibronne» oder zum Amtshaus. Und sie berichtete etwa davon, wie die Pfarrer vor allen Murianer Altären stundenlang Hostien verteilen mussten, weil dank dem heiligen Leontius unzählige Pilger ins Klosterdorf kamen. Oder sie erzählte, dass das Amtshaus nur ein solches wurde, weil der Kanton dem Kloster das Gebäude enteignet hat.
So kamen die Besucher in den Genuss von Geschichten des Wey-Quartiers, die bisher den meisten verborgen blieben. Und auch kulinarisch kamen die Besucher auf ihre Kosten – inklusive Bloody Mary.

