Wieder zu Hause

  05.03.2021 Fussball

Der Bremgarter Alban Pnishi wechselt zurück zum FC Wohlen und lebt wieder in der Stadt

Der verlorene Sohn kehrt zurück nach Hause. Der FC Wohlen verpflichtet den Bremgarter Alban Pnishi für drei Jahre. Der Transfer ist eine Win-win-Situation für beide Parteien.

Stefan Sprenger

«Der Transfer ist eine Riesensache für uns. Ich bin einfach nur stolz.» André Richner, Verwaltungsratspräsident des FC Wohlen, ist enorm glücklich, diesen Transfercoup gelandet zu haben. Er fasst die Verpflichtung von Alban Pnishi bestens zusammen: «Ein Wohler Junior, der Karriere im Profisport gemacht hat und noch in der Blüte seiner Leistungsfähigkeit ist, kommt zu seinem Verein zurück.» Toll für den FC Wohlen, toll für Pnishi – und ein Grund mehr, als Zuschauer in die Niedermatten zu gehen.

Im «fussballerischen Wilden Westen»

Vom Freiamt aus zieht Alban Pnishi in die weite Fussballwelt hinaus. In der glorreichen «Sforza-Saison» 2014/15 war Pnishi der Abwehrboss und Captain. Weil er sich enorm entwickelte, holen ihn die Grasshoppers in die Super League. Dort bleibt der Bremgarter drei Jahre – erlebt Höhen und (Verletzungs-)Tiefen.

Der Profifussball spült ihn nach Israel. Bei Shaknin und Yehuda kickt er in der höchsten Liga Israels. Von den Fans wird er als «The Wall» (die Wand) gefeiert. Mit seiner Familie erlebt er dort auch abseits des Platzes eine völlig andere Welt. «Es war eine tolle Erfahrung», sagt der heute 30-Jährige. Vor über einem Jahr verliess er Israel und spielte bei Feronikeli, in der höchsten Liga im Kosovo. Dort kam es zu einigen Vorfällen, die Pnishi dazu brachten, sich neu zu orientieren. Die Umstände beim Verein bezeichnet er als «fussballerischen Wilden Westen». Zu Beginn des Jahres trifft er sich mit Wohlens VR-Präsident Richner.

Sie sprechen über die Zukunft. Pnishi will wieder Spass haben am Fussball, zudem möchte er den Wiedereinstieg in seinen Job als Kaufmann schaffen. Der FC Wohlen möchte einen Abwehrboss und eine Leaderfigur für die Zukunft. «Für mich ist der Wechsel nach Wohlen ein Entscheid für meine Familie, für meine Zukunft und es ist herrlich, zurück zu meinem Verein zu kommen», so Pnishi. Sechs Jahre war er weg, nun kehrt er zurück nach Hause. Die Verpflichtung zieht für den FC Wohlen aber einen finanziellen Kraftakt nach sich.


Vorübergehend Hausmann

Der FC Wohlen setzt mit der Verpflichtung von Alban Pnishi gleich mehrere positive Zeichen

Mitten in der Coronapandemie schafft der FC Wohlen den grössten Transfer der letzten Jahre. Alban Pnishi kehrt zurück auf die Niedermatten und unterschreibt für drei Jahre. «Ich muss mich nun etwas umgewöhnen», meint der 30-Jährige aus Bremgarten.

Stefan Sprenger

Tian feiert bald seinen ersten Geburtstag. Er sitzt auf der Schaukel auf einem Spielplatz in Bremgarten, wippt fröhlich hin und her. In seinem Gesicht erstrahlt ein zufriedenes Lachen. Daneben rennt Dea umher. Sie ist das zweite Kind der Pnishis, bald vier Jahre alt und ebenfalls glücklich, wieder zu Hause in Bremgarten zu sein. Während des Gesprächs mit Alban Pnishi kümmert sich Frau Blerta um die beiden Kinder. Blerta, in Wohlen aufgewachsen, tritt in diesen Tagen ihre erste Arbeitsstelle seit der Geburt von Dea an – das war vor rund vier Jahren. «Nervös» sei sie deswegen. Und Alban Pnishi ist auch etwas nervös. In Abwesenheit seiner Frau wird er vom Profifussballer zum Hausmann. Zumindest in den kommenden Monaten.

Angebote aus New York oder Malaysia

In Bremgarten kaufte sich die Familie Pnishi vor Jahren eine Eigentumswohnung. Direkt an der Reuss. Die Grosseltern sind nicht weit weg. «Uns gefällt es wunderbar hier», meint Alban Pnishi. Hier im Freiamt ist der Name Pnishi fast schon eine fussballerische Institution. Viele seiner Cousins oder auch sein Bruder kicken in zahlreichen Teams der Region. Für Pnishi war es immer logisch, dass er irgendwann zurückkehrt. Nun ist es eben etwas früher als gedacht. In den letzten Jahren hatte er teils abenteuerliche Angebote von Fussballteams. Aus New York. Aus Zypern. Oder zuletzt aus Malaysia. «Ich wollte aber zurück nach Hause. Und es war für mich klar, dass ich wieder zum FC Wohlen möchte.»

Mit 30 Jahren ist seine fussballerische Blüte noch nicht verwelkt. Auch, weil Pnishi in Sachen Disziplin ein Vorzeige-Profi war. 2009 erhielt er seinen ersten Profivertrag beim FC Wohlen unter Trainer Martin Rueda. In den Niedermatten durchläuft er alle Juniorenstationen – und schafft es bis in die erste Mannschaft. 2014/15 herrscht beim FC Wohlen Euphorie. Unter Trainer Ciriaco Sforza mischt das Team ganz vorne in der Challenge League mit. Mittendrin: Captain und Abwehrboss Alban Pnishi. «Eine der besten Saisons meiner Karriere», erinnert sich der Innenverteidiger zurück.

Abenteuer Israel

Während 160 Challenge-League-Spielen trägt er das FCW-Trikot. Nach der starken Sforza-Saison wechselt er die Liga und den Verein, das Trikot bleibt blau-weiss. Die Grasshoppers schnappen sich das Defensiv-Juwel. Zu Beginn ist sein Stammplatz garantiert. Der Freiämter erhält zudem von der Kosovo-Nati ein Aufgebot und ist beim historischen ersten Länderspiel des Balkan-Staates auf dem Feld. Pnishi wird im Kosovo gefeiert wie ein grosser Star. Bei GC läuft zu Beginn ebenfalls alles rund. Doch Pnishi verletzt sich und es folgen Phasen der Ernüchterung. Nach 65 Spielen in der Super League verlässt er 2018 die Zürcher – und auch das Land.

Pnishi und seine Familie suchen das Abenteuer. Und das kriegen sie auch. In Israel, beim einzigen arabischen Club des Landes, gehört Pnishi zu den Top-Transfers. «The Wall» (die Wand) wird er genannt. Nach einem Jahr zieht er um nach Tel Aviv und wechselt zu Yehuda. Anfang des Jahres 2020 endet das «Experiment» in Israel. «Es war eine riesige Erfahrung, aber nicht immer einfach», sagt er heute.

Während er seinen Kindern beim Spielen zusieht, meint er: «Wir sind extreme Familienmenschen. So weit weg zu sein von unseren Liebsten passte uns nicht mehr.» Schon vor einem Jahr wäre er beinahe zurück in die Schweiz gekommen. Doch KF Feronikeli, ein Club aus dem Kosovo, verpflichtete Pnishi. Diesen Schritt bereut er heute allerdings.

Kuriose Verhältnisse im Kosovo

Er ruft sich das vergangene Jahr in Erinnerung. Die Coronapandemie hat gerade erst Fahrt aufgenommen. «Ich war verletzt. Ein neuer Trainer kam. Ich und ein paar weitere Spieler landeten auf dem Abstellgleis. Für das ganze Team lief die Saison nicht optimal.» Kurios: Während der Saison wollte der Verein einige Spielerverträge anpassen. Darunter auch jenen von Pnishi. Er wehrt sich dagegen – und der Verein zahlt ihm zwei Monate keinen Lohn aus. «Das war auch der Grund, wieso ich den Vertrag nun kündigen konnte», erklärt er. Nun fordert er seinen ausstehenden Lohn bei der FIFA ein. Heute beschreibt er die Zustände bei Feronikeli als «fussballerischen Wilden Westen».

Seit dem 3. Februar ist er frei. Er suchte danach über frühere Beziehungen das Gespräch mit den Verantwortlichen des FC Wohlen. Verwaltungsratspräsident André Richner (siehe Artikel unten) war von Beginn weg begeistert. Die Gespräche verliefen positiv und gewinnbringend. Für beide Seiten. Pnishi unterschreibt für drei Jahre, er soll Abwehrboss und Leistungsträger sein. Der eigene Junior, seit elf Jahren Profi, kehrt zurück zu seinen Wurzeln. «Eine schöne Geschichte», freut sich Pnishi.

Er kennt den Verein und die Leute. Und er will dem FCW langfristig helfen, in der 1. Liga weiterhin eine Spitzenmannschaft zu sein – und vielleicht einmal den Aufstieg zu feiern. «Ich will ein Leader sein und meine Erfahrungen weitergeben. Und ich will die vielen jungen Talente auf ihrem Weg unterstützen», so der zukünftige Abwehrchef, der sich bewusst ist, dass die Erwartungen an seine Person gross sind. Der Transfer ist für den Verein ein absoluter Glücksfall und ein Zeichen, dass man weiterhin hohe Ambitionen hat. In dieser schwierigen Coronazeit gibt es dem Team zusätzlich einen Schub. Es ist auch eine Bestätigung für die neuen Macher beim FC Wohlen, dass sie nach dem Machtwechsel vor drei Jahren auf einem guten Weg sind.

Der FC Wohlen wird Pnishi im Gegenzug helfen, den Einstieg in die Berufswelt wiederzufinden. Vor über zehn Jahren absolvierte er bei der «United School of Sports» die kaufmännische Ausbildung. «Ich möchte einen Büro-Job», sagt er. Gleichzeitig will er seine Trainerdiplome machen. «Ich liebe den Fussball und würde gerne einmal als Trainer arbeiten.» Doch das ist Zukunftsmusik.

Bodenständiger Typ mit Weitsicht

Weil es ein internationaler Transfer ist und die Frist dafür schon abgelaufen ist, darf Pnishi in der Rückrunde nicht für den FC Wohlen auflaufen. Er ist erst ab 1. Juli spielberechtigt. Am Trainingsbetrieb wird er allerdings schon früher teilnehmen. «Für mich ist es nun vorbei mit dem Profifussball. Ich liebte das Profi-Dasein. Da muss ich mich sicherlich noch etwas umgewöhnen.» Er tritt kürzer mit dem Fussball. Für die Zukunft und seine Familie. Pnishi, ein bodenständiger Typ mit Weitsicht. Das war er schon immer. Auch deshalb wird sich Pnishi – auf Wunsch der FCW-Verantwortlichen – auch in der Juniorenabteilung einbringen.

Sein Sohn Tian hat die Schaukel verlassen, isst einen Keks. Tochter Dea eilt herbei, trinkt einen Schluck Wasser und stürzt sich wieder ins Spielplatz-Getümmel. «Der Kleine muss bald schlafen», sagt Mutter Blerta. Die Pnishis machen sich mit ihren Kindern auf Richtung Altstadt und zu ihrer Wohnung. Alles zu Fuss in ihrer Heimat Bremgarten. «So gefällt es mir», sagt Alban Pnishi und freut sich, dass Familie, Job und Fussball alles bald wieder im Freiamt stattfinden wird.


Kann sich der FCW Pnishi leisten?

Sportchef und VR-Präsident sind «superhappy» mit dem Pnishi-Transfer

Für FCW-Sportchef Alessio Passerini ist der Transfer von Alban Pnishi «eine tolle Sache für die ganze Region und eine Geschichte, wie es sie viel zu selten gibt».

Es sei nicht selbstverständlich, dass ein Profifussballer so viel Wert auf seinen Stammverein legt. «Man merkt, dass ihm der FC Wohlen am Herzen liegt», sagt FCW-Sportchef Alessio Passerini. Er habe das beste Fussballalter, kann den jungen Spielern viel Erfahrung weitergeben. «Und er kann ein Team mitreissen.» Passerini kennt Alban Pnishi seit über zehn Jahren und weiss, dass er bestens ins Gefüge passt. «Er ist unbestritten ein starker Fussballer. Wichtig ist uns auch, dass er charakterlich passt. Und Alban Pnishi ist einfach ein feiner und positiver Mensch.»

Auch FC-Wohlen-Verwaltungsratspräsident André Richner ist sehr glücklich. Er habe Pnishi als «ruhigen, bodenständigen und sehr demütigen Menschen kennen- und schätzen gelernt.» Ab der Saison 2021/22 wird Pnishi der neue Abwehrboss sein.

Was erwartet Richner von ihm? «Er soll ein Ausrufezeichen sein, dass wir auf Wohler Eigengewächse setzen. Er findet unsere Idee sehr gut und möchte auch Teil dieses Weges werden. Er wird mit seiner Erfahrung und seinem Leistungsvermögen natürlich eine wichtige Stütze für die Mannschaft sein. Wir haben viele junge Spieler, die viel von ihm profitieren werden. Als Spieler und als Mensch.»

Richner betont, dass der FC Wohlen ihm beim Wiedereinstieg ins Berufsleben mit «Rat und Tat» zur Seite stehen wird. «Obwohl dies natürlich in der aktuellen Situation nicht leicht sein wird», so Richner. Er begrüsst den Entscheid von Pnishi, dass er im Sinne der Familie und der Zukunft jetzt schon die Weichen stellt. «Er hätte bestimmt noch drei Jahre auf hohem Niveau im bezahlten Fussball Geld verdienen können», vermutet der VR-Präsident. Apropos Geld. Der FC Wohlen erlebt in der Coronakrise – wie alle anderen Vereine – keine einfache finanzielle Zeit. Kann man sich solch einen Transfer eines früheren Profifussballers überhaupt leisten? Alban Pnishi wird wohl der bestverdienende Kicker im Team sein. Dazu sagt Richner: «Wir würden uns nie wegen eines Spielers finanziell in Bedrängnis bringen. Wir haben ein Budget, und das werden wir einhalten. Unser Sportchef Alessio Passerini hat ganze Arbeit geleistet und mit den von uns genannten Vorgaben das Maximum herausgeholt. Das Budget entspricht der aktuellen Saison. Aber es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, es werde einfach, das Budget zu erreichen. Die Wirtschaft steckt in einer Krise und die Sponsorengelder, aber auch die Gelder der Gönner müssen zuerst gesprochen werden. Das wird harte Arbeit werden und wir müssen uns auch noch gewisse Einnahmenquellen überlegen.»

Helfen würde dem FC Wohlen, wenn die Spiele wieder von Zuschauern besucht werden könnten. In der nächsten Saison hat man mit Pnishi ein weiteres Highlight, sodass sich der Gang in die Niedermatten umso mehr lohnt. --spr


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